Von Anja Öttl
CREGLINGEN/WOLFSBUCH. Herbstsonne. Der Blick wandert über satte Wiesen. Hinter einem Elektrozaun steht unter einer Eiche eine Holzbank. Schon ein wenig vom Wetter gezeichnet. Hier sitzt Wolfgang Richter an schönen Tagen und schaut seinen Rindern zu, die hier weiden. Es sind schwarze Rinder mit einem kurzen, glatten Haarkleid. Gutmütig stehen sie herum oder liegen gemächlich wiederkäuend am Boden. Manche von ihnen tragen leicht gekrümmte Hörner. Nichts Besonderes? Doch. Bei den Tieren handelt es sich nicht um irgendwelche Rinder. Der 63-jährige Wolfgang Richter züchtet zusammen mit seinen Söhnen Florian und Max seit sechs Jahren japanische Wagyu (ausgesprochen wagyoo).
„Wagyu“ heißt übersetzt nichts anderes als japanisches Rind. Ursprünglich wurden diese Tiere in Japan u.a. im Bergbau, Ackerbau und Transport eingesetzt. „Es waren reine Arbeitstiere,“ erklärt Wolfgang Richter bei einem Rundgang durch seinen Offenstall. Familie Richter besitzt mittlerweile 47 „Fullblood“ Tiere dieser besonderen Rinderrasse. Sie weiden am Hof in Wolfsbuch, einem verschwunschenem Weiler, Nahe bei Creglingen. Aber auch im Taubertal, an den Hängen nahe der Burg Seldeneck oder im Reubachtal stehen Tiere. Dort finden die Tiere, was sie glücklich macht: Futter und ausreichend Bewegung in unberührter Natur.
Die Rinderrasse Wagyu, wird in Japan wie ein Schatz gehütet. Die Bestände außerhalb des Landes stammen hauptsächlich von Tieren, die zu wissenschaftlichen Zwecken Mitte der 1990er in die USA exportiert wurden. Seither ist der Export von lebenden Wagyu-Rindern aus Japan verboten. In Deutschland kamen 2006 die ersten Wagyus zur Welt. Das Besondere an diesen Rindern ist ihr zartes Fleisch. Wolfgang Richter erklärt den besonderen Fleischgeschmack, indem er ein tiefgekühltes Steak aus dem Hofladen in die Höhe hält und auf die weißen Fettadern deutet, die das Fleisch durchziehen. Das Geheimnis des Geschmacks sind diese Fettadern, die die Muskeln der Tiere durchziehen und beim Braten einen nussigen Geschmack ergeben sollen. Es soll unheimlich aromatisch schmecken und auf der Zunge schmelzen. Richter bringt es mit seinen Worten auf den Punkt: „Das Fleisch hat einen ursprünglichen Rindergeschmack.“ Und fügt lachend hinzu: „Es schmeckt einfach – auch ohne Ketchup und Mayo.“
Viele Züchter schwören auf eine besondere Haltung ihrer Tiere. „Es wird gesagt, dass die Kühe in Japan eine spezielle Massage bekommen und sogar Bier zugefüttert wird“, erklärt Richter den Mythos um die Tiere. Auf Richters Hof verfolgt man hauptsächlich eine Fütterung aus Heu, Weidegras und hochwertigem Trockenfutter.
Das erste Wagyu-Kälbchen erblickte 2014 durch eine Embryoneneinpflanzung bei einer Fleckvieh-Kuh auf dem Hof in Wolfsbuch das Licht der Welt.
Es wog leichte 30 Kilogramm. Normalgewicht bei Wagyu-Kälbern. Ein ausgewachsenes Rind kann dann schon mal 500 bis 700 Kilogramm auf die Waage bringen. Der vier Jahre alte Stier „Taro“, der auf dem Hof steht, wiegt sogar 1200 Kilogramm.
Geschlachtet werden die Tiere frühestens nach 38 Monaten in der Metzgerei Naser in Creglingen. Das Fleisch reift anschließend 21 Tage in der Kühlung am Knochen bei zwei Grad Celsius und einer relativen Luftfeuchtigkeit von 75 Prozent (Dry-Aging). Alle Tiere, welche die Landwirtsfamilie Richter in den Verkauf bringt sind zu 100 Prozent „Fullblood Wagyu“. Das Wagyu Fleisch hat einen bis zu 50 Prozent höheren Anteil an ungesättigten Fettsäuren als andere Rinderrassen. Nicht ohne Grund zählt das Fleisch vom Wagyu zu einem den teuersten und exklusivsten Lebensmitteln der Welt.
Bevor Familie Richter sich der Zucht von Wagyu-Rindern verschrieb, war Wolfgang Richter 45 Jahre lang in der Ferkelerzeugung tätig. Das Umdenken kam mit dem Generationenwechsel. Seine Söhne wollten nicht mehr Ferkel züchten. Zumal die Zukunftsaussichten in der Schweinehaltung eher düster aussahen. Schnell kam man auf die Idee Wagyus zu züchten. Bei ihrem neuen Vorhaben kamen der Landwirtsfamilie Richter ihre Jahrzehnte langen Erfahrungen aus ihrer landwirtschaftlichen Arbeit zu Gute.
Von Anfang an sei man mit Leidenschaft und Herzblut bei der Sache gewesen und überzeugt davon, dem Tier Zeit zu lassen, zu wachsen und sich zu entwickeln, erzählt Wolfgang Richter. Der Fokus liegt auf dem Wohl des Tieres. Denn nur wenn es dem Tier gut geht, erhält man das bestmögliche Produkt.
Weniger Zeit brauchte man für die Namensfindung des Rinderzuchtbetriebs. Vielmehr spontan fiel die Entscheidung auf: „Taubertal-Wagyu“. Einfach und doch Aussagekräftig. Heimatverbunden und trotzdem weltoffen.
Angesprochen von der besonderen Zartheit und Saftigkeit des Fleisches fühlen sich vor allem
Privatpersonen. Kunden hat man aber auch in der Gastronomie und Feinkost gefunden: „Faberfeinkost“ in Bad Kissingen, das „Herrenschlösschen“ in Rothenburg ob der Tauber oder der Gasthof „Zur frohen Einkehr“ in Reichhartsroth (Rothenburg ob der Tauber) schätzen den exklusiven Charakter des Fleisches.
Die Umstellung auf den Rinderzuchtbetrieb war nicht immer leicht. Nicht nur Verwaltungs- und Marketingmaßnahmen waren im Vorfeld zu erledigen, sondern auch handwerklich war Arbeit angesagt. Noch bevor das erste Wagyu-Rind am Hof bzw. auf der Weide war, flossen viel Schweiß und auch viel Geld, um bestens auf die Ankunft der ersten Tiere vorbereitet zu sein. Wolfgang Richter ist deshalb nicht ohne Grund stolz, zusammen mit seiner Familie die Anfänge erfolgreich geschafft zu haben und jetzt da zu stehen, wo man gerade steht.
Und wenn Wolfgang Richter mal wieder auf seiner Bank unter der Eiche sitzt und zu seinen Rindern schaut, weiß er, trotz aller Mühen am Anfang, alles richtig gemacht zu haben.
• Infos unter www.wagyuverband.com und taubertal-wagyu.de.