Bäcker gehen schon immer sorgfältig mit den Rohstoffen um. Von jenen lernen, die es gut machen und neue Ideen in den Alltag integrieren.

Text und Fotos Beate Tomann

WALLDÜRN. In der Bäckerei Leiblein in Walldürn ließ sich Alois Gerig vom regionalen Bäckerhandwerk über deren Maßnahmen gegen die Vernichtung von Lebensmitteln informieren. Frei nach dem Motto: „Von jenen lernen, die schon gut unterwegs sind“. Bäckermeister Tobias Leiblein sowie die Obermeister Friedbert Englert (Bäcker-Innung Mosbach) und Peter Schlär (Bäcker-Innung Buchen) erläuterten, was mit Broten und Brötchen passiert, die keine Abnehmer finden: Altbackenes wird zum halben Preis angeboten, zu Knödelbrot verarbeitet, zu Paniermehl gemahlen oder an Tiere verfüttert. Dies würde besonders in der Hühnerhaltung durch kleinere Unternehmen sehr gut genutzt. Ein guter Teil der Ware, die nicht am gleichen Tag abverkauft werden kann, landet zum Beispiel als Frischhalte- und Geschmacksstoff im Sauerteig. Das führt durch die Röststoffe zu mehr Geschmacksqualität der Brote. Auch der Verkauf des Brotes am nächsten Tag zum halben Preis wird in zwei von fünf Filialen gut angenommen. Verbraucher seien jedoch oftmals fixiert auf frische Ware. Dass sich gut gebackenes Brot aber gerade erst nach einem Tag in seine besondere Geschmacksgüte entwickelt, das sei immer weniger Menschen bekannt. Große Brote werden länger gebacken und das wirkt sich auch positiv auf den Geschmack aus. „Regionale handwerklich gemachte Backwaren stützen nicht nur die Arbeitsplätze der Rohstofflieferanten, sondern damit auch unsere schöne Kulturlandschaft“, so Alois Gerig.

Die Runde der Bäcker plädierte für mehr Verständnis was die Vollständigkeit des Programmes angeht, wenn es in Richtung Laden-schluss geht. Der Erwartungsdruck der vergangenen Jahre hat dazu geführt, dass die Regale möglichst mit dem vollen Programm gefüllt sind. Aber genau das bedeutet, dass in der Tendenz bundesweit immer mehr Backwaren als Retoure einer anderen Nutzung zugeführt werden müssen. Nicht alle sind so vorbildlich aufgestellt, wie die Bäcker der Region und deshalb wird bundesweit zu viel weggeworfen. Das Tragische dabei ist, dass mit den Lebensmitteln, die vernichtet werden, gleichzeitig auch Arbeitskraft, Rohstoffe und Energie verloren gehen. Viele Lebensmittel, die weggeworfen werden, wären noch gut für den Verzehr. Das Festhalten an einem Ablaufdatum steht über dem persönlichen Geruchs- oder Geschmackstest. Zum Beispiel sind Joghurts oder Quark durchaus viel länger genießbar. Rund elf Millionen Tonnen werden in Deutschland jährlich weggeworfen. Für den CDU-Bundestagsabgeordneten Alois Gerig ist dies weder ethisch noch ökologisch vertretbar: Was in der Tradition des Bäckerhandwerks schon immer tief verwurzelt war, findet auch mit der Hilfe der Digitalisierung neue Wege. Die Bundesregierung will bis 2030 die Lebensmittelverschwendung in Deutschland halbieren. Experten haben ausgerechnet, dass durch eine Halbierung sechs Millionen Tonnen CO2 eingespart werden könnten. Alois Gerig findet, diese Chance sollte nicht vertan werden: „Lebensmittelrettung ist aktiver Klimaschutz.“

 

Um das Ziel zu erreichen, setzt die Bundesregierung auf das Engagement von Wirtschaft und Verbrauchern – und auf gute Ideen. Mit dem Bundespreis „Zugut für die Tonne“ sollen auch 2020 Innovationen und Projekte bekannt gemacht und zum Nachmachen motiviert werden. Das Projekt mit seiner APP „Too Good To Go“ gehörte in diesem Jahr zu den Preisträgern.

 

 

Mit der App „Too Good To Go“ können Verbraucherinnen und Verbraucher überschüssiges Essen in ihrer Nähe ausfindig machen und zu einem vergünstigten Preis erwerben. Die Bäckerei Peter Weber aus Lauda-Königshofen bietet seit Juni in ihren Webers-Filialen diesen Service an. In dem Gespräch mit dem Wahlkreisabgeordneten erklärte Tilmann Weber, Fördermitglied der Bäcker-Innung Main-Tauber, wie es funktioniert: Die Kunden bezahlen direkt über die App und holen ihre Portion dann im angegebenen Zeitfenster im Geschäft ab – die Lebensmittel landen somit auf dem Teller und nicht in der Tonne. Pro Filiale stehen jeden Abend fünf „Wundertüten“ im Wert von zehn Euro zur Verfügung. Für drei Euro, die in der App bezahlt werden, erhält der Kunde einen Beleg aufs Smartphone, mit dem er dann seine Tüte abholen kann. Tilmann Weber hat sich fest vorgenommen, den Anteil der von Menschen genutzten Nahrungsmittel über diese Aktion zu erhöhen. Jeden Abend können so rund 800 Wundertüten bezahlt und in den circa 40 Filialen abgeholt werden. Das Projekt hatte er zunächst nur in Würzburg gestartet und zwischenzeitlich auch auf seine Filialen im Main-Tauber- und im Neckar-Odenwald-Kreis ausgedehnt. Im Main-Tauber-Kreis ist auch „Nordsee“ als Anbieter mit drin. Jeder Unternehmer kann die Entscheidung treffen und dabei mitmachen, zum Beispiel abendliche Ware zu einem Drittel des Preises anzubieten. Die App sortiert das Angebot nach dem Standort des Smartphone-Besitzers.

Ideenwettbewerb des Bundes – „Zu gut für die Tonne!“

Alois Gerig ruft zur Teilnahme an dem Ideen-Wettbewerb – dem Bundespreis „Zu gut für die Tonne!“ auf: „Ich bin überzeugt, dass die Lebensmittelretter aus dem Main-Tauber- und dem Neckar-Odenwald-Kreis auch kreative Vorschläge parat haben. Was zählt sind gute Ideen, die helfen, Abfälle zu reduzieren und die Wertschätzung für Lebensmittel zu erhöhen.“ Jeder mit einer brauchbaren Idee kann sich bewerben: Unternehmer, Gastronomen, Bürgerinitiativen, Vereine, Kommunen oder Privatpersonen. Bewertet werden alle eingesendeten Projekte von einer hochkarätigen Jury, der auch der Sternekoch Christian Rach und der TV-Moderator Cherno Jobatey angehören. Einsendeschluss ist der 13. Oktober 2019. Weitere In-formationen zu den Bewerbungsmodalitäten enthält die Webseite https://www. zugutfuerdietonne.de/

 Mit beim Erfahrungsaustausch in Walldürn dabei gewesen sind von links: Michael Windmeißer (Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft NOK), Tilmann Weber (Fäördermitglied der Bäcker-Innung  Main-Tauber), Friedbert Englert (Bäcker-Innungsobermeister Mosbach),  Simone und Tobias Leiblein (Meister), Peter Schlär (Bäcker-Innungsobermeister Buchen) und Alois Gerig (Vorsitzender des Ausschusses für Ernährung und Landwirtschaft und Mitglied das Bundestages).

 

 

 

Handwerklich gefertigtes Brot ist ein Teil unserer Lebensqualität. In der Bäckerei Leiblein ist der frische Azubi mit großem Elan dabei das Brot zu kneten.

 

 

 

Wer hilft Lebensmittel zu retten, der wertschätzt damit auch die Arbeit, die Energie, die Rohstoffe und die Liebe mit der ein Produkt hergestellt wurde. Regionale Produkte und Rohstoffe sorgen auch für den Erhalt der schönen Landschaft, die wir hier genießen.

 

 

 

Große Brote, die länger gebacken wurden, entwickeln eine noch bessere Geschmacksqualität. Überhaupt dürften wir öfters einmal unsere hervorragende Sensorikfähigkeiten über den Druck des sogenannten „Haltbarkeits-/Verfallsdatums“ setzen. Auch das hilft, Lebensmittel zu retten.

 

 

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