Sanierte Litfaßsäule, rutschfester Stein und clevere Versorgungspoller
BAD MERGENTHEIM (RED). Im Endspurt des ersten Gänsmarkt-Bauabschnittes nimmt der Platz in diesem Bereich immer mehr Gestalt an. Die Stadt informiert über bauliche Hintergründe und wissenswerte Details.
Wer dieser Tage an der Baustelle vorbeikommt, entdeckt einen markanten Hingucker: Die Litfaßsäule ist nach der Aufbereitung bei einem örtlichen Steinmetz- und Bildhauerbetrieb wieder da. Demnächst steht noch der Einbau der kreisrunden Vitrine an. „Wir haben uns entschieden, dieses besondere Element der Stadt zu erhalten. Die Säule gehört zum Stadtbild und ist ein Schmuckstück. Zudem wird sie durch die Kolleginnen und Kollegen des Kulturamts aufwändig bestückt und gestaltet“, sagt Stadtplanerin Kathrin Herz vom Bad Mergentheimer Bauamt.
Auch in der Kurstadt haben Plakatsäulen eine lange Tradition. „Die erste Erwähnung von solchen Informations- und Werbeträgern konnte ich in einem Gemeinderatsprotokoll aus dem Jahr 1924 nachweisen“, berichtet Stadtarchivar Alexander Ploebsch. Im Jahr 1925 seien drei entsprechende Säulen auf dem Bahnhofs-Vorplatz, dem Marktplatz sowie auf dem damaligen Schüttplatz (heute Deutschordenplatz) aufgestellt worden. Wann die Litfaßsäule des Gänsmarktes aufgestellt wurde, kann nicht genau ermittelt werden. Der Steinmetz, der sie nun restauriert hat, vermutet die Zeit um die 1950er Jahre. „Die Litfaßsäule steht zwar nicht in der Denkmalliste vom Landesdenkmalamt, dennoch könnte man sie als erhaltenswert ansehen“, ergänzt Horst Engelmann von der Unteren Denkmalbehörde im Rathaus.
In der neuen Platz-Anordnung rückt die Säule etwas mehr Richtung Kirchstraße, damit man sie von allen Seiten besser einsehen kann. Gleichzeitig erhält die Außengastronomie unter den Bäumen zwischen Münster und Spital noch etwas mehr Platz und kann einige Tische zusätzlich aufstellen. Für die vier Bodenhülsen, in denen die großen Sonnenschirme eingesteckt werden, sind beachtliche Fundamente von fast einem Kubikmeter fertig gegossen angeliefert und dann in den Boden eingelassen worden. Die genaue Position wurde mit der örtlichen Gastronomie abgestimmt.
Der Bereich, der im Sommerhalbjahr für Außengastronomie genutzt wird, zeichnet sich durch eine Besonderheit aus. Hier wird nicht gepflastert, sondern eine so genannte „Wassergebundene Wegedecke“ eingefügt. Diese ist wasser- und luftdurchlässig. „Das bedeutet weniger städtische Überhitzung, da der nicht versiegelte Boden Wasser speichert und in Trockenzeiten kontinuierlich wieder abgibt“, sagt Stadtplanerin Kathrin Herz. „Der Materialwechsel zoniert außerdem die Fläche in jenen Bereich, der in den warmen Monaten an die Außengastro verpachtet ist, und in die Fläche zum Flanieren.“
Befürchtungen, dass dieses eher naturnahe Material zu Verschmutzungen führt, sind aus Sicht der Fachleute unbegründet. Der Bindemittelgehalt soll optimal auf die unterschiedlichen Wetterbedingungen angepasst sein, so dass auch in der feuchteren Winterzeit nicht mit einer „schmierigen“ Oberfläche zu rechnen ist. Im Gegenteil: Die wassergebundene Decke bindet Staub. Kathrin Herz betont die positiven Eigenschaften: „Den weichen, fast samtigen Belag kennen wir von historischen Ensembles wie dem Jardin des Tuileries in Paris oder dem Park Sanssouci in Potsdam, genauso wie von Boulebahnen, die längst aus den französischen Dörfern auch bei uns heimisch sind.“
Nicht fehlen dürfen auf den verschiedenen Gänsmarkt-Bereichen Fahrradbügel zum Anlehnen und Sichern. Diese werden im Bauabschnitt 1 an der Einmündung Kirchstraße/ Holzapfelgasse platziert und in einem Aluminiumgrau ausgeführt, das man später in der gesamten Platz-Möblierung wiederentdecken kann. Und noch ein Element wird bereits im ersten Bauabschnitt auftauchen: der Versorgungspoller. „Damit künftig kleinere Veranstaltungen auf dem Platz stattfinden können, wird der neue Gänsmarkt mit insgesamt vier Versorgungspollern ausgestattet – einer davon ist im ersten Bauabschnitt vorgesehen“, kündigt Kathrin Herz an. Die zylinderförmigen Versorgungspoller enthalten Anschlüsse für Trinkwasser, Abwasser, Strom und Starkstrom.
Das wichtigste Element des Platzes ist jedoch der neue Stadtboden aus regionalem Muschelkalk. Die einzelnen Platten sind mit 30 auf 60 Zentimetern recht groß. So wird das Ziel eines „erschütterungsarmen“ Belages erreicht. Dazu erläutert Stadtplanerin Kathrin Herz: „Erschütterungsarm wird der Boden durch weniger und kleinere Fugen – somit werden Rollstühle, Kinderwägen oder Rollatoren mit weniger Stößen beeinträchtigt und der Komfort steigt.“ Verlegt wird der Muschelkalk im so genannten „Ellbogenverband“ diagonal zu den Häusern. Dieser Verband gilt als der Verband mit dem größten Widerstand gegenüber horizontalen Verformungen. Ergänzt wird er um kleine Zweizeiler – ebenfalls aus Muschelkalk. Sie markieren den gestalterischen Übergang zwischen den Gebäuden und den Platten.
„Der Stein wird noch etwas nachdunkeln“, informiert Kathrin Herz weiter und weist auf eine besondere Eigenschaft hin, für die Passantinnen und Passanten sich ebenfalls interessieren dürften: „Der Standard sieht für einen Platz wie den Gänsmarkt eine Rutschhemmungsklasse von R11 oder R10 vor. Mit unserem Muschelkalk erreichen wir R13. Zudem verlegen wir das Pflaster so, dass Wasser schnell abläuft. Das heißt: Wir erfüllen den Standard über und bieten als ‚Stadt für alle‘ eine hohe Sicherheit.“ Im Übrigen habe man sich im Bauamt nicht auf die Theorie allein verlassen, sondern die Steine bemustert: „Im Selbsttest haben wir sie erst nass gemacht und dann die Rutschfestigkeit des Belags getestet“, berichtet die Stadtplanerin. Daran, dass der Boden des neuen Gänsmarktes trittsicher und rutschfest ist, bestehe nun kein Zweifel mehr.
Auch in den weiteren Bauabschnitten werden „spannende Gestaltungs-Merkmale“ und moderne Lösungen für Ökologie, Aufenthaltsqualität und Barrierefreiheit kommen, gibt Kathrin Herz schon einmal einen Ausblick. Von der insektenfreundlichen „Seilpendelleuchte“ bis zur „Lichtbank“ oder den Baum-Quartieren und Sitzgelegenheiten. Mit dem weiteren Baufortschritt wird die Stadt auch diese Details noch ausführlicher vorstellen. Die ersten Baustellenführungen sind für Mai geplant.