Helferkreis ist zur Stelle, wenn andere keine Zeit haben

Feuchtwangen (ak). Dass es in Deutschland an Fachkräften im Bereich der Alten- und Krankenpflege mangelt steht fest. Direkt betroffen von dieser Situation sind die Patienten und Pflegebedürftigen: Auch wenn mobile Pflegedienste ihr bestes leisten, um eine grundlegende Versorgung zu gewährleisten, so bleibt der menschliche und persönliche Aspekt dabei oft auf der Strecke. Aufgrund des Leistungsdrucks ist jede Sekunde kostbar. Einfach mal ein bisschen Zeit verbringen mit den Patienten ist da im Normalfall nicht drin. Genau aus diesem Grund wurde der Helferkreis „Lichtblick“ ins Leben gerufen.

Tanja Schneider, Gründerin und Geschäftsführerin der gemeinnützigen Unternehmergesellschaft.

„Unser Ziel ist es Menschen mit Pflegebedarf sowie deren Angehörige zu unterstützen“, erklärt Tanja Schneider, Geschäftsführerin der gemeinnützigen Unternehmergesellschaft (UG). Bereits im Jahr 2013 habe man den vorhandenen Bedarf erkannt: Die gelernte Altenpflegerin begegnete immer wieder Familien, welche mit der Pflege ihrer Angehörigen völlig überfordert waren, oftmals am Ende ihrer Kräfte. Selbst wenige Stunden Entlastung seien dann Gold wert… „Viele der Betroffenen fühlen sich allein gelassen und wissen gar nicht welche Hilfe ihnen zusteht“, sagt sie. Doch tatsächlich gibt es durchaus Leistungen, welche in solchen Fällen beansprucht werden können – darüber zu informieren und aufzuklären ist ein wichtiger Bestandteil der Arbeit des Helferkreises. Gleichzeit sind die ehrenamtlichen Mitglieder zur Stelle, wenn es darum geht, mit den Pflegebedürftigen Zeit zu verbringen. An diesem Punkt unterscheidet sich der Helferkreis klar von sonstigen Mobilen Pflegediensten. Während solche für gewöhnlich sämtliche Leistungen rund ums Thema Pflege, Hauswirtschaft usw. abdecken, gehe es bei „Lichtblick“ wirklich ausschließlich darum, sich für Leute Zeit zu nehmen, hebt Tanja Schneider hervor.  Sei dies in Form von Spazieren gehen, gemeinsam einkaufen, zusammen spielen, backen, lesen oder sich über längst vergangene Zeiten unterhalten. Die Betreuung erfolgt stets Eins-zu-Eins in der Wohnung des Kunden und ist individuell auf den Bedarf des Pflegebedürftigen abgestimmt. Die Zeiten werden in Absprache mit den Angehörigen festgelegt. „Es wird bewusst darauf geachtet, dass immer dieselbe Betreuungsperson kommt, sodass gute Beziehungen entstehen können“, so die Geschäftsführerin.

Volle Kostenübernahme möglich

Im Rahmen der Kurse zum Alltagsbegleiter erfahren die Teilnehmer auch alles wichtige zum Thema erste Hilfe…

Dabei entstehen für die Kunden selbst in der Regel keine Kosten. Bei allen Teammitgliedern handelt es sich um Fachkräfte oder ausgebildete Alltags- und Demenzbegleiter. So erhielt der Helferkreis 2014 offiziell durch das Ministerium für Familie und Soziales in Bayern die Anerkennung für das niederschwellige Betreuungsangebot. Dem sei Dank, ist eine Kostenübernahme durch den Versicherungsträger relativ problemlos möglich. Mit diesen Voraussetzungen stand einem Aufbau des Unternehmens nichts mehr im Wege, schon bald sollte „alles langsam ins Laufen kommen.“ Insgesamt zehn Ehrenamtliche waren zu Beginn im Einsatz und statteten ersten Kunden Hausbesuche ab. Zwischenzeitlich ist der Kreis auf über 50 ausgebildete Alltags- und Demenzbegleiter angewachsen. Jedes Jahr bietet der Helferkreis im Frühjahr Schulungen zum Alltagsbegleiter an, so aktuell auch heuer. Die Fortbildung dauert insgesamt fünf Samstage, mit dem Abschluss können die Dienstleistungen der frisch gebackenen Alltagshelfer über die Versicherungsträger abgerechnet werden. Schneider betont, dass man bewusst versucht, die Stundensätze möglichst niedrig zu halten. Schließlich wolle man die verfügbaren Gelder so effizient wie möglich nutzen und „maximal viel Zeit für die Betroffenen haben.“ Die Lichtblick Helfer haben unterschiedlichste Motive. „Natürlich liegt allen der soziale Aspekt am Herzen“ meint Schneider, auch die Freude am Umgang mit Menschen seien Voraussetzung. Dennoch ließe sich nicht leugnen, dass der finanzielle Anreiz für das ehrenamtliche Engagement nicht ganz unrelevant sei, da die Helfer eine Aufwandsentschädigung erhalten – auch dies sei für manche durchaus ein Ansporn. Auch Rentner, die ihre freie Zeit sinnvoll nutzen möchten, sind Teil des Teams.

„Wir sind da, wo wir gebraucht werden“

Anja Ilg, von Anfang an dabei, kümmert sich um verwalterische und bürokratische Belange. Fotos: Privat

Die dezentrale Strukturierung des Unternehmens ermöglicht sowohl den Helfern als auch Patienten vergleichsweise viel Flexibilität und Selbstbestimmung. Lediglich die Vermittlung von Kunde und Pfleger wird zentral geregelt, außerdem alle Kostenfragen. Art und Umfang der Leistung wird individuell geklärt. Um verwalterische und bürokratische Belange kümmert sich in erster Linie Anja Ilg, ebenfalls von Anfang an Teil des Teams. Die Helfer sind im gesamten Landkreis Ansbach sesshaft, hauptsächlich aber im Raum Feuchtwangen/Dinkelsbühl und Ansbach. Im Falle einer Anfrage wird in der Regel derjenige Alltagshelfer informiert, welcher räumlich am nächsten zum Wohnort des Kunden ist. „Wir sind nicht Gebietsgebunden, sondern dort wo wir gebraucht werden.“ Die Ehrenamtlichen können selbst entscheiden, es gibt keinerlei Verpflichtung Kunden anzunehmen. „Nicht immer lassen sich Angebot und Nachfrage sofort unter einen Hut bringen, manchmal hat man Kundenanfragen, aber gerade keine passenden oder freien Helfer in der Nähe. Umgekehrt gibt es auch manchmal mehrere Helfer mit Freiraum innerhalb eines Ortes, allerdings nur wenig Bedarf“, so Schneider.

Alltagshelfer sein

Michael Bernd Görmer aus Ansbach referiert im Rahmen eines Helfertreffens über nonverbale Kommunikation.

Etwa einmal im Monat findet ein regelmäßiges Helferkreistreffen statt. Dabei werden nicht nur im Kurs behandelte Themen vertieft, auch erhalten die Ehrenamtlichen Informationen und Ideen in Bezug auf Beschäftigungsmöglichkeiten mit den Senioren. Auch Gastsprecher „von außen“ stünden immer wieder, mit spannenden Themen im Gepäck, auf dem Programm. Einmal jährlich wird der Kurs zum Alltagshelfer angeboten. Dieser deckt Themen ab wie beispielsweise „Was ist Ehrenamt?“, „Welche Leistungen stehen von Seiten der Krankenkassen zur Verfügung?“ oder altersbedingte Krankheitsbilder usw. Beim aktuellen Kurs liegt der Schwerpunkt auf den praktischen Aspekten. Es gehe darum den Teilnehmern „neue Ideen in die Hand zu geben.“ Schneider erklärt, dass man über das „nur Zeit verbringen“ hinweg auch längerfristige Wirkungen erzielen möchte. Zum Beispiel versuche man mithilfe spezieller Übungen die Gedächtnisleistung und das Erinnerungsvermögen der Senioren zu steigern. Neben den „geistigen Übungen“ sei aber auch der körperliche Aspekt von Bedeutung. So erklärt eine Physiotherapeutin spezielle hilfreiche Übungen. Allgemein würden dazu generell immer „interessante Sprecher“ eingeladen, schließlich wolle man die Ehrenamtlichen am Ball halten, schmunzelt Tanja Schneider. Heuer erstmals Thema im Kurs ist die Arbeit mit Behinderten, welche ebenfalls Anspruch auf Leistungen haben.

Bereichernd für alle Seiten

Vom ehrenamtlichen Einsatz profitieren nicht nur die Senioren und deren Angehörige. „Auch die Helferinnen nehmen sehr viel Positives mit und es ist für sie eine Bereicherung“, ist Schneider überzeugt. Auch ihre Motivation besteht darin, anderen zu helfen. „Ich habe so viele ausgebrannte Leute gesehen. Völlig am Limit.“ Wenn diese gewusst hätten, welche Leistungen ihnen zustehen, wäre die Lage möglicherweise nie so eskaliert, vermutet sie. „Die meisten alten Menschen wollen eigentlich nicht ins Altenheim, ich möchte helfen, dass sie zuhause bleiben können.“ Die Unternehmensleiterin zeigt sich sehr stolz auf ihr Team: Nur weil jeder mit Leidenschaft dabei sei, mache es auch so viel Spaß. Besonders froh ist der Helferkreis außerdem über die Unterstützung der Stadt Feuchtwangen, welche die Räume kostenlos zur Verfügung stellt. „Feuchtwangen hat was übrig für Senioren!“ In Hinblick auf die Zukunft verrät die Unternehmensleitung, dass als nächster Schritt vermutlich ein „Ausbau des Angebots in Richtung Hauswirtschaft und im Behindertenbereich“ erfolgen wird.

Text: Amos Krilles

Den Alltagsbegleitern geht es in erster Linie darum, mit den Senioren Zeit zu verbringen. Ein kleiner Spaziergang ist in diesem Sinne oftmals genau das richtige… Foto: Pixabay

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