„Küsschen rechts, Küsschen links“: Weshalb persönlicher Kontakt für die Völkerverständigung so wichtig ist

Komitee-Vorstand Mike Kinzie und Stellvertreterin Marguerite Sigwalt-Fischer möchten die Tauberbischofsheimer Städtepartnerschaften neu beleben.

 

Tauberbischofsheim. Seit 1981 engagiert sich Mike Kinzie für die Tauberbischofsheimer Städtepartnerschaften. Beziehungen gibt es zur deutschen Stadt Duderstadt im Kreis Göttingen, die seit 61 Jahren besteht, sowie seit 56 Jahren zur französischen Stadt Vitry-le-François. Entstanden ist Kinzies Interesse durch einen Schüleraustausch nach Frankreich während der Gymnasialzeit. Die Begeisterung für die französische Lebensweise, das sogenannte Laissez-faire, also „Machen-und-machen-lassen“, wie auch für die Sprache, das Essen, den Wein, ist bei ihm bis heute geblieben. Mittlerweile ist er Ehrenpräsident des Partnerstadt-Komitees. Auch seine Mitstreiterin und Stellvertreterin Marguerite Sigwalt-Fischer, eine gebürtige Französin, ist seit Anfang der 1990er im Sinne des freundschaftlichen Austauschs für Tauberbischofsheim unterwegs. Für sie ist es ganz normal, wie sie sagt, zwischen unterschiedlichen Kulturen zu vermitteln. Sie selbst kam damals über die Firma Weinig nach Tauberbischofsheim und ein geplanter Kurzaufenthalt entwickelte sich schließlich zur neuen Heimat. Im Komitee kümmern sich die beiden und einige weitere Mitglieder ehrenamtlich um Veranstaltungen und Vorhaben bezüglich des Städteaustauschs. Events und Projekte, die hauptsächlich die Bereiche Kultur, Sport und Gesellschaft betreffen. Geschäftsführerin des Komitees und Organisatorin von städtischer Seite ist Helga Hepp. Gemeinsam wollen die Beteiligten wieder neuen Schwung in die Städtepartnerschaften bringen, denn Corona und die damit verbundenen Reise- und Kontaktbeschränkungen haben in den vergangenen zwei Jahren persönliche Treffen verhindert. Mike Kinzie erklärt, es sei ruhig geworden und man wolle verhindern, dass der Kontakt völlig einschläft. Vor allem den Austausch mit Vitry wollen sie neu beleben, denn dort gibt es – anders als in Duderstadt, wo alles über die Stadtverwaltung läuft – ebenfalls ein offizielles Komitee. „Duderstadt ist eine wunderschöne Stadt mit tollen Fachwerkhäusern und einen Besuch wert. Leider fehlt uns ein wirklicher Ansprechpartner. Wir würden uns freuen, wenn hier wieder etwas entsteht, doch unser Fokus liegt vorerst auf Vitry.“ Dort möchte sich die deutsche Delegation im Mai mit dem französischen Komitee treffen. „An diesem Wochenende findet in Vitry ein großes Fest statt, das sogar das zentrale Thema Bewegung hat. Wir erhoffen uns, mit vielen Menschen und Gruppen in Kontakt zu kommen und der länderübergreifenden Verbindung frischen Elan, neue Bewegung einzuhauchen.“ Im Voraus haben die Tauberbischofsheimer Verantwortlichen ein Anschreiben verfasst und dieses an Schulen und Vereine verschickt, mit der Bitte, sich Gedanken zum regelmäßigen Austausch mit Vitry zu machen. Hierzu hätten sie bereits positive Rückmeldungen bekommen. Beispielsweise sei eine Französisch AG angedacht, innerhalb der die Jugendlichen aus Deutschland und Frankreich miteinander skypen können. Kinzie berichtet, er wisse außerdem von baldigen Fahrten der Fechter und der Handballer nach Frankreich. Und wahrscheinlich sind beim Altstadtfest im Sommer wieder Gäste aus Frankreich mit dabei. „Das ist prima. Doch darüber hinaus wollen wir mit unseren Aktionen noch mehr in die öffentliche Wahrnehmung.“ Nur wenn viele Bürgerinnen und Bürger von einer Städtepartnerschaft wüssten, seien sie bereit, sich zu beteiligen und zum Beispiel auch private Unterkünfte zur Verfügung zu stellen. Diese benötigt Marguerite Sigwalt-Fischer unter anderem wieder für „ihre Ferienjobs“, die sie interessierten Französinnen und Franzosen, meist Studierenden, anbieten möchte – so wie das in der Vergangenheit schon oft gut funktioniert habe. „Sicher könnten wir Hotels finden, aber wir wollen vor allem den persönlichen Kontakt und so das alltägliche Leben greifbar machen. Das Annähern über den Bildschirm und moderne Technik ist ein guter Anfang, aber Küsschen rechts, Küsschen links, wie in Frankreich üblich, das gehört dazu, und nur aus dem direkten Gespräch und aus gemeinsamen Unternehmungen und Zeit zusammen entstehen Freundschaften“, bekräftigt Kinzie. Manchmal sogar mehr, verraten sie, auch Ehen und Beziehungen hätten sich aus der Städtepartnerschaft heraus schon gebildet. Marguerite Sigwalt-Fischer betont, dass die Stadt sich bemüht habe, die Partnerschaften der Städte am Laufen zu halten. Das 50-jährige Bestehen der „Jumelage“ mit Vitry wurde 2017, nach Fertigstellung des Marktplatzes in Tauberbischofsheim, groß gefeiert. Jährlich wurden zudem von der Verwaltung Praktikantinnen und Praktikanten aufgenommen, die entweder handwerklich oder bei ausreichender Sprachkenntnis im Tourismusbereich tätig gewesen seien. Tauberbischofsheims Bürgermeisterin Anette Schmidt ist es ein großes Anliegen, dass der Austausch mit Vitry wieder engagiert angegangen wird, das besonders mit Sicht auf die derzeitige Kriegssituation in der Ukraine: „Aus ehemaligen Feinden sollten Freunde werden – das war das Ziel des Élysée-Vertrags von 1963. Dieses Bekenntnis ist die Grundlage für die Freundschaft, die Tauberbischofsheim mit Vitry-le-François pflegt. Es ist der Wille für Völkerverständigung und Frieden in Europa und auf der ganzen Welt einzutreten. Die aktuelle und unvorstellbare Situation in der Ukraine zeigt, dass Frieden ein hohes Gut ist. Es ist enorm wichtig Freundschaften von Mensch zu Mensch, über Ländergrenzen hinweg und unabhängig von Landesregierungen zu festigen. Ich hoffe, dass durch den Aufruf unseres Partnerschaftskomitees vor allem junge Menschen motiviert werden, sich für diese Idee zu begeistern.“ Wer Interesse hat, sich bei der Städtepartnerschaft einzubringen, darf sich gerne bei den Verantwortlichen melden.

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