Junge Menschen haben speziell in Ausbildungsberufen alle Chancen

Tauberbischofsheim / Main-Tauber-Kreis. Die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt insbesondere für Flüchtlinge und junge Menschen stand im Mittelpunkt eines Gesprächsaustausches zwischen Landtagsvizepräsident Professor Dr. Wolfgang Reinhart und Elisabeth Giesen, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Schwäbisch Hall-Tauberbischofsheim. „Ich würde mir wünschen, dass insbesondere bei den vielen aus der Ukraine Geflüchteten eine höhere Quote der Integration in den Arbeitsmarkt erreicht werden könnte“, meinte der Landtagsvizepräsident und Wahlkreisabgeordnete. „Grundsätzlich haben wir diesbezüglich bereits erste Aktivitäten mit Arbeitgebern entwickelt, die Herstellung einer deutschsprachige Grundkompetenz ist jedoch eine essentielle Voraussetzung für eine Integration in den Arbeitsmarkt. Die Sprachkurse im Landkreis sind in der Regel auf ein Jahr angelegt, deren Anzahl reicht allerdings nicht“, berichtete Elisabeth Giesen. Träger der Sprachkurse seien überwiegend die Volkshochschulen, die im engen Austausch mit dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) stünden, das die Vorgaben für die Kurse liefere. Die höhere Anzahl an Nachfragen als die der Angebote und der Dozenten bezeichnete sie als „Nadelöhr“. Die VHS Tauberbischofsheim biete mittlerweile einen auf drei Jahre angelegten Teilzeitkurs für den Erwerb der Sprachgrundlagen an. „Wir verfolgen den Gedanken, dass begleitend eine Berufs- oder Nebenerwerbstätigkeit erfolgt“, teilte Giesen mit. Wolfgang Reinhart regte zu Intensivsprachkursen an, die wöchentlich nicht nur etwa dreitägig, sondern fünf oder sogar sechstägig angelegt seien. Als zweiten großen Engpass nannte Elisabeth Giesen die Kinderbetreuung. Die meisten aus der Ukraine geflüchteten Menschen seien Alleinerziehende mit durchschnittlich zwei Kindern. Schon zuvor sei für Berufstätige die Kinderbetreuung ein Thema im SGB II gewesen und daher habe sich die Situation alles andere als verbessert. „Wenn wir die Kinderbetreuung nicht sicherstellen können, tun wir uns dagegen schwer, jemanden aufgrund der eingeschränkten Arbeitszeiten zu vermitteln“, gab sie zu bedenken. „Wir sollten gegen den Fachkräftemangel alle Potenziale ausschöpfen wie etwa Integration von Flüchtlingen beispielsweise aus der Ukraine, Erhöhung der Erwerbstätigkeit bei den Frauen und zumindest auf freiwilliger Basis ein erst späterer Renteneintritt“, erläuterte Wolfgang Reinhart. Für bedenkenswert halte er ebenso, dass die durchschnittliche Jahresarbeitszeit in Deutschland lediglich 1.341 Stunden betrage, in den USA hingegen 1.850 und in Mexiko 2.200 Stunden. Dies resultiere auch aus den hohen Teilzeitarbeitsquoten. „Einerseits haben wir eine Rekordbeschäftigung mit rund 45,6 Millionen bundesweit, andererseits einen riesigen Fachkräftemangel, der unter den absehbaren Entwicklungen der Demografie immer noch mehr zunehmen wird“, konstatierte er. „Wir müssen in vielerlei Hinsicht flexibler werden“, plädierte Elisabeth Giesen. Exemplarisch habe man dies in Zusammenarbeit mit dem Kultusministerium im Neckar-Odenwald-Kreis begonnen und wolle es im nächsten Jahr im Main-Tauber-Kreis fortsetzen. „Die ukrainischen Mitmenschen arbeiten nicht immer in dem Beruf, für den sie eine Ausbildung haben. Dieses Prinzip wollen wir ebenfalls bei der Kinderbetreuung einfließen lassen mit einem niederschwelligen Einstieg in diesen Bereich und einer Ausbildung zur sozialpädagogischen Fachkraft“, erklärte sie. Dazu brauche es allerdings Kitaträger und Arbeitgeber, die mitmachen, denn bei vielen herrsche noch Skepsis gegenüber diesem Modell. „Junge Menschen haben auf dem Arbeitsmarkt vor allem in den Ausbildungsberufen alle Chancen“, stellten Elisabeth Giesen und Wolfgang Reinhart angesichts eines Rückgangs der Auszubildenden von 1,8 auf 1,2 Millionen übereinstimmend fest, während die Anzahl Studierender von zwei auf drei Millionen angestiegen sei. „Mir ist wichtig, dass wir das Thema Integration in die Arbeit unabhängig von der Herkunft bei allen im Blick haben und gleichzeitig innerhalb des Prozesses die richtigen Anforderungen an die Personen transportieren“, fasste Elisabeth Giesen als resümierende Botschaft die Hauptfelder „Integration“ und „Qualifikation“ zusammen. Wolfgang Reinhart sagte abschließend zu, sich in seinen Möglichkeiten für diese und weitere Belange einzusetzen.

Bilduntertext/Titel: Die aktuelle Situation auf dem Arbeitsmarkt insbesondere für Flüchtlinge und junge Menschen stand im Mittelpunkt eines Gesprächsaustausches zwischen Landtagsvizepräsident Professor Dr. Wolfgang Reinhart und Elisabeth Giesen, Vorsitzende der Geschäftsführung der Agentur für Arbeit Schwäbisch Hall-Tauberbischofsheim. Foto: Peter D. Wagner