„Frauen und Rente -eine weibliche Problemzone?“

Johanna Göller, Firmenberaterin der Deutschen Rentenversicherung, zu Gast bei BlickLokal

Von Stefanie Harnisch
Bad Mergentheim. BlickLokal traf Johanna Göller – sie ist Firmenberaterin der Deutschen Rentenversicherung und Ansprechpartnerin für Arbeitgeber zum Thema Rente, Altersvorsorge, Rehabilitation und gesunde Mitarbeiter/Präventionsmaßnahmen sowie betriebliches Eingliederungsmanagement. Darüber hinaus macht sie viel Netzwerkarbeit und lädt auch oft zu Veranstaltungen ein. So entstand beispielsweise die Kooperation mit der Kontaktstelle Frau und Beruf. Der Vortrag „Frauen und Rente – eine weibliche Problemzone?“ thematisiert die weibliche Rentenfrage und findet mehrmals jährlich statt. Johanna Göller tritt hier als Referentin auf. BlickLokal-Redakteurin Stefanie Harnisch nahm das interessante Thema zum Anlass, Johanna Göller in die Redaktion einzuladen.

BlickLokal: Wie hoch ist die Brutto-Durchschnittsrente bundesweit?
Johanna Göller: Wie reden lieber von der Standardrente. Jemand der 45 Beitragsjahre eingezahlt hat und dabei immer den Durchschnittsverdienst hatte, der hat momentan 1396 Euro Bruttorente. Die Durchschnittsrente an sich liegt natürlich weitaus niedriger. Die Gründe dafür sind vielfältig: Viele Versicherte haben nicht ihr ganzes Leben eingezahlt, sind nur teilzeitbeschäftigt oder haben einen schlechteren Verdienst. Bei Frauen in den alten Bundesländern lag die durchschnittliche Altersrente für das Jahr 2018 (netto vor Steuern, nach Abzug des Krankenversicherungsbeitrages) bei ca. 688 Euro pro Monat und in den neuen Bundesländern bei ca. 974 Euro. In den neuen Bundesländern sind die durchschnittlichen Renten der Frauen höher als in den alten Bundesländern, da hier die meisten Frauen auch bei der Kindererziehung Vollzeit weitergearbeitet haben. Bundesweit gibt es die Tendenz, dass die Frauen jetzt langsam auch eine höhere Rente bekommen, da sie auch mit Kindern wieder arbeiten möchten und früher wieder ins Berufsleben einsteigen. Bei Männern in den alten Bundesländern liegt die durchschnittliche Altersrente bei 1087 Euro und in den neuen Bundesländern bei 1066 Euro.
Die Bruttorente berechnet sich im Prinzip folgendermaßen: Den Bruttoverdienst, den wir haben, teilen wir durch den Durchschnittsbruttoverdienst aller Deutschen. Dieser liegt momentan bei 38.000 Euro. Wenn ich diesen Durchschnittsverdienst habe, bekommen ich pro Jahr eine Rentensteigerung von 33 Euro. Das heißt, wenn ich Teilzeit arbeite und nicht diesen Betrag verdiene, dann habe ich in einem Jahr vielleicht auch nur 10 Euro oder 15 Euro Rentensteigerung.

BlickLokal: Das sind sich viele Arbeitnehmerinnen in der Phase der Kindererziehung nicht bewusst.
Johanna Göller: Trotzdem wurden jetzt ein paar Verbesserungen von Seiten des Gesetzgebers gemacht. Es gibt aktuell ein Übergangsbereich, früher gab es eine Gleitzone. Bei allen, die über einem Minijob arbeiten, also von 450,01 Euro bis 850 Euro, in der Gleitzone, hat der Arbeitnehmer praktisch ein bisschen weniger Eigenanteil in die Rentenversicherung gezahlt als der Arbeitgeber. Jetzt hat man dies ausgeweitet auf 1300 Euro Bruttoverdienst – das nennt sich Übergangsbereich. Der Arbeitnehmer zahlt aus einem niedrigeren Entgelt die Beiträge, obwohl er die Rentensteigerung aus dem tatsächlichen Entgelt erhöht. Der Beitrag ist sozusagen billiger für den Arbeitnehmer.

BlickLokal:

Das wird jedoch keine größeren Beträge umfassen?
Johanna Göller: Zwischen 1 und 5 Euro pro Jahr.

BlickLokal: Welche Faktoren garantieren eine relativ gute Rente?
Johanna Göller: Das Wichtigste ist, einen guten Bruttoverdienst zu haben. Wichtig ist es deshalb auch, dass die Frauen in Zukunft für die gleiche Arbeit auch den gleichen Lohn bekommen wie die Männer -dies ist jedoch immer noch nicht überall gegeben, leider. Und man sollte wirklich auch nicht ewig in dieser Minijobfalle drinhängen. Es ist eine ganz große Falle für die Frauen. Ich habe schon öfters von Frauen gehört: Ja, aber der Steuerberater hat gesagt, der Minijob ist für mich günstiger als wenn ich wieder mehr Stunden arbeite. Aber rein aus rentenversicherungsrechtlicher Sicht ist es natürlich totaler Quatsch. Wenn man ein Jahr lang einen Minijob macht, dann steigt die persönliche Rente um ca. 4,60 Euro. Wer dies 10 Jahre macht hat somit nur 46 Euro Rente erwirtschaftet. Die ersten drei Jahre der Kindererziehung wird man so gestellt, als wenn man diesen Durchschnittsverdienst verdienen würde. Ich bekomme pro Kind diese ca. 33 Euro Rentensteigerung pro Jahr automatisch -insgesamt für 3 Jahre. In dieser Zeit kann man natürlich locker einen Minijob nebenher machen – da geht mir nichts verloren. Aber spätestens danach sollte man sich Gedanken machen, ob es nicht irgendwie möglich wäre, in Teilzeit zu arbeiten. Hier muss man natürlich auch immer die Balance für sich selber finden, was noch passt.

BlickLokal: Wer Teilzeit arbeitet, z.B. 50 Prozent hat dann ja trotzdem immer noch die Hälfte oder weniger, wenn man nicht den Durchschnittsstundenlohn erhält. Raten Sie dann auch zur privaten Vorsorge? Was kann man sonst noch tun, um die Rente dann aufzustocken?
Johanna Göller: Altersvorsorge an sich ist sehr teuer, wenn ich das auch privat mache. Eine Riesterrente oder eine betriebliche Altersvorsorge – das sind so die ersten Wege, die man ausschöpfen sollte, weil sie auch steuerlich gefördert werden oder mit Vergünstigungen bei Sozialversicherungsbeiträgen oder Zulagen. Wir selber machen dazu Altersvorsorgeberatungen. Als gesetzliche Rentenversicherungen sind wir neutral und haben auch den Beratungsauftrag. Es ist im SGB 6 so verankert, dass wir auch über die gesetzliche Rentenversicherung hinaus beraten, weil man sich natürlich bewusst ist, dass die gesetzlichen Renten alleine wahrscheinlich nicht unbedingt ausreichen, um den Lebensstandard zu halten.
BlickLokal: Allerdings bietet nicht jedes Unternehmen eine Betriebsrente an.
Johanna Göller: Die Betriebe müssen eine Direktversicherung ermöglichen. Das ist wie eine private Rentenversicherung, nur über den Betrieb und bietet z.B. steuerliche Vorteile in der Einzahlungsphase.

BlickLokal: Wie verhält es sich mit dem Ausgleich von Abschlägen, durch Einmalzahlungen?
Johanna Göller: Wir würden für Leute ab dem 50. Lebensjahr eine besondere Rentenauskunft erstellen. Wenn sich jemand überlegt, mit 63 Jahren in Rente zu gehen und wissen möchte wie hoch seine Rente dann wäre, bzw. wie hoch der Abschlag wäre, informieren wir hier gerne. Alle ab Jahrgang 1964 und jünger hätten sogar 14,4 Prozent Abschlag, wenn der Rentenbeginn bei 63 Jahren liegt. Das sind in Euro gesprochen bei einer Rente von 1000 Euro 144 Euro Abschlag. Dies jedoch könnte man wiederum durch Einmalzahlungen ausgleichen. Das würde in einer Rentenauskunft berechnet. Für 100 Euro Abschlag muss man um die 24.000 Euro an Einmalzahlungen leisten. Wenn man es über mehrere Jahre verteilt einbezahlt, dann kann man das steuerlich wieder zu einem Teil absetzen. Das macht das Ganze gerade bei uns attraktiv, weil wir keine Verwaltungskosten und keine Abschlusskosten haben, da das Rentenversicherungskonto sowieso bei uns besteht.

BlickLokal: Trotz der vollen Anrechnung der Rentenpunkte während der 3 Jahre Erziehungsarbeit pro Kind unterstützt der Staat angesichts des demografischen Wandels Frauen meines Erachtens zu wenig monetär in der folgenden Familienphase, die oftmals mit Teilzeit verbunden ist, was sich in der Rente bemerkbar macht.
Johanna Göller: Wenn man das mit den Rentenansprüchen nach einem Erwerbsleben in Vollzeit vergleicht, sind wir da natürlich weit davon entfernt.
Wir empfehlen sich bereits in jungen Jahren bei uns über die komplette Altersvorsorge beraten zu lassen, weil man dann besser abschätzen kann, wie es im Alter für einen selbst aussieht. Hier haben wir speziell geschulte Berater, die auch diese private, betriebliche Altersvorsorge mitberaten. Man kann dann Prognosen machen, wie es z.B. a mit der späteren Rente aussehen würde, wenn man mit 50 Prozent Teilzeit so weiterarbeiten würde. Man kann einen schönen Überblick schaffen, wie es im Alter aussieht. Sehr häufig sind Leute mit Kindern ja auch verheiratet. Dann bezieht man die Rente des Partners mit ein. Man kann sagen, dass die Familien, in denen ein Partner Vollzeit arbeitet und der andere Partner in Teilzeit erwerbstätig ist, und die noch ein bisschen etwas in Bezug auf Altersvorsorge nebenher machen, im Alter meist gut versorgt sind.

BlickLokal: Wenn die Ehepartner zusammenbleiben!
Johanna Göller: Genau! Ich sage immer, das Schlimmste, was passieren kann, ist Scheidung nach vielen Jahren Ehe. Wenn dann wirklich diese Konstellation zutraf, dass einer relativ gut verdient

cof

und der andere, es ist halt meistens die Frau, ist wirklich zu Hause geblieben und hatte maximal einen 450 Euro Job, dann hat diese in dieser Ehezeit fast keine Rente erwirtschaftet. Der Mann hingegen zwar viel. Dann kommt der sogenannte Versorgungsausgleich, das heißt, jeder bekommt für die Ehezeit gleich viel. Wer viel hat, muss die Hälfte abgeben. Wenn sich das Ganze an der Standardrente (1396 Euro) verdeutlicht, dann hat im Endeffekt jeder relativ wenig.

BlickLokal: Das ist also für beide finanziell negativ.
Johanna Göller: Ja! Die Frau hat dann zwar mehr, als sie alleine erwirtschaftet hat, aber am Ende ist es für beide wenig. Das ist also die große Gefahr. Sich nur auf den Partner verlassen, das kann man eigentlich auch nicht.

BlickLokal: Gibt es weitere Förderungen?
Johanna Göller: Bis zum 10. Lebensjahr des Kindes gibt es die sogenannte Kinderberücksichtigungszeiten. Da wird man als Teilzeitarbeitende so gestellt, als wenn man etwas mehr verdient hätte. Hier wird geprüft, ob man nochmals ein paar Entgeltpunkte oben draufbekommen kann. Das sind bis zu ca. 6 Euro pro Jahr. Auch wenn jemand jetzt wirklich sehr lang zu Hause bleibt, sind diese 10 Jahre wie ein Lückenfüller. Somit verliert man keine Ansprüche bei uns und es gewährleistet z.B. dass das Versicherungskonto vollständig ist.

BlickLokal: Vielen Dank für die vielen praktischen Informationen und Tipps rund um die Rente von Frauen!

 

BILD „Portrait Johanna Göller“
BU: Johanna Göller ist Firmenberaterin der Deutschen Rentenversicherung
Foto: privat

BILD „Vortragssituation Johanna Göller“
BU: Johanna Göller informiert auch in Veranstaltungen rund um Rentenfragen, Rehabilitation und gesundheitliche Präventionsmaßnahmen.
Foto: privat

BILD „Redaktionsbesuch Johanna Göller“
BU: Johanna Göller (li.) besuchte BlickLokal-Redakteurin Stefanie Harnisch und informierte sie rund um das Thema „Frauen und Rente“.
Foto: Tanja Schneider

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