Bayerischer Demenzpreis ging an das Seniorenheim Neumühle und Schule im Aischgrund

Bad Windsheim(ak). Bei der diesjährigen Verleihung des Bayerischen Demenzpreises gewann das Projekt „Begegnung der Generationen“ den ersten Platz. Dabei handelt es sich um eine besondere Kooperation zwischen dem Evangelischen Seniorenheim Neumühle der Diakonie und der Schule im Aischgrund, einem Sonderpädagogischen Förderzentrum mit den Förderschwerpunkten Lernen, Sprache und Verhalten. Jede Woche verbringen einige Fünftklässler Zeit mit den Senioren. Es zeigt sich, dass das Beisammensein für beide Seiten eine große Bereicherung ist.

Selbst Kleinigkeiten, wie zum Beispiel gemeinsam Eis essen, bereiten den Senioren (natürlich auch den Kindern) Freude. Für die Heimbewohner ist jeder Moment mit den Schülern kostbar und eine geschätzte Abwechslung im Heim-Alltag.

Viele ältere Menschen leiden an Einsamkeit. Untergebracht im Heim vergeht nun ein Tag nach dem anderen. Nur selten bekommt man bekannte Gesichter von „draußen“ zu Besuch. Studien zufolge kann Einsamkeit das Risiko, an Altersdemenz zu erkranken stark erhöhen, angeblich sogar verdoppeln.

Gleichzeitig findet man ein ähnliches Problem auch bei jungen Leuten. Hier spielt Einsamkeit eine ebenso nicht zu unterschätzende Rolle. Oftmals müssen beide Elternteile arbeiten. Die Kinder gehen vormittags zur Schule, kommen dann nach Hause und verbringen den Nachmittag alleine. Nicht als ob es dort langweilig werden würde, Spielekonsolen und Co beugen eine potentielle Langeweile effizient vor. Auf der Strecke bleibt lediglich einer: der Kontakt zu anderen Menschen.  Während sich besagte Gruppe vor vermeintlicher Altersdemenz wohl eher nicht zu fürchten braucht, lauert ein anderes Risiko: der Zusammenhang zwischen Einsamkeit und Depression lässt sich nicht leugnen. Könnte es also sogar sein, dass „die neue Volkskrankheit“ – wie Depression von manchen bereits betitelt wird – auf zu viele einsame Menschen in Deutschland zurückzuführen ist?

Mit dem Projekt „Begegnung der Generationen“ wird auf praktische Weise gezeigt, dass es durchaus Antworten auf die eben beschriebene Problematik gibt und wie eine solche aussehen kann.

Gute Kontakte aufbauen

Die Idee für das Projekt entstand 2012, als die Viertklässler unter Leitung von StRinFS (=Studienrätin im Förderschuldienst) Christine Birmann während der Vorweihnachtszeit hin und wieder die Bewohner des Seniorenheims besuchten. Es wurde gespielt, gesungen und geredet. Mit der Zeit wurde immer mehr das gegenseitige Interesse geweckt und die Begegnungen bereiteten beiden Generationen Freude. Aus einer dann folgenden schulhausinternen Abfrage durch den Jugendsozialarbeiter Dominik Lorenz ging hervor, dass viele der Schülerinnen und Schüler nur sehr wenig Kontakt, oft gar keinen, zu älteren Menschen haben. Daraus entwickelte sich die Idee, aus den anfangs sporadisch stattfindenden Besuchen einen „längerfristigen und auf Nachhaltigkeit angelegten Rahmen zu gestalten und zu pflegen.“ Nach mittlerweile fünf Jahren zeigt es sich, dass die langfristige Kooperation zwischen Jugendsozialarbeit, Schule und Seniorenheim Früchte trägt: es kommt inzwischen sogar vor, dass einzelne Schüler nachmittags in ihrer Freizeit ihre „Freunde“ im Heim besuchen kommen.

Jede Woche haben die Beteiligten 90 Minuten Zeit miteinander. Durch gezielte „Eins-zu-Eins“ Begegnungen sollen gute Beziehungen entstehen.

Insgesamt sind derzeit sieben Mädchen und fünf Jungen am Projekt beteiligt. Jede Woche besucht die junge Truppe für 90 Minuten die „Neumühle“. Die Stunden werden stets in Absprache mit den Betreuungsassistenten des Heimes geplant und vorbereitet. Auf dem Programm stehen meist Aktivitäten wie Spielen, Basteln, Singen, Backen, Spazier gehen oder sich einfach unterhalten. Angeleitet und betreut werden die angehenden Jugendlichen von der heilpädagogischen Unterrichtshilfe Susanne Kellermann sowie der Schulbegleiterin Petra Schubert, die einen Schüler individuell unterstützt. Die Anzahl der teilnehmenden Senioren soll immer in etwa der der Schüler entsprechen. Man möchte durch gezielte „Eins-zu-Eins-Situationen“ ganz persönliche Begegnungen ermöglichen, so die Schulleiterin Barbara Lorenz. Die Teilnahme ist für alle Beteiligten freiwillig und man kann jederzeit aufhören. Tatsächlich passiert das aber kaum. Beide Generationen schätzen die gemeinsame Zeit sehr, auch wenn es manchmal herausfordernd ist und es Momente gibt, welche vor allem den jungen Leuten sehr nahe gehen.

„Lernen fürs Leben“

Durch den Kontakt zu den Senioren werden die Schüler automatisch mit Themen wie Alter und Tod konfrontiert. Einige Male kam es bereits vor, dass Teilnehmer plötzlich verstarben. Für die Kinder ist dies keine leichte Erfahrung, Trauer und Fragen kommen auf. Gleichzeitig lernen sie damit einfühlsam und bedacht umzugehen. Bereits auf dem Heimweg tauschen sich die Kinder und ihre Betreuerinnen über Erlebnisse aus und wollen wissen, wie es den anderen damit ging. Später in der Schule werden wichtige Themen dann auch noch einmal im Unterricht aufgegriffen und reflektiert. Auch die unterrichtenden Lehrkräfte unterstützen die Fünftklässler dabei, ihre Erfahrungen auf- und zu verarbeiten.

Schulleiterin Lorenz sieht das Projekt als eine Möglichkeit, wo „abseits vom schulischen Leistungsdenken ein Lernen fürs Leben“ stattfindet. Die Schüler hätten so die Möglichkeit „ein bisschen Großfamilie beziehungsweise Großeltern und alte Menschen zu erleben“. In der Begegnung mit den Senioren lernen sie Hemmschwellen zu überwinden und Distanz zu Menschen abzubauen. Es gehört dazu, den Senioren mit kleineren Diensten eine Hilfe zu sein. Egal ob beim Jacke zuknöpfen, Stuhl bereitstellen, Rollstuhl schieben oder ähnlichem, die Schüler lernen Verantwortung und Kompetenz im Umgang mit Menschen.

Mit der Außenwelt verbunden

Auch für die Großeltern-Generation sind die Besuche und so entstehende Beziehungen eine ungemeine Bereicherung. Die Heim-Bewohner sind auf Kontakte und Anregungen von außen angewiesen. Die jungen Menschen geben neue Impulse und liefern Gesprächsstoff, so erhalten die Senioren das Bewusstsein, „mit der Außenwelt verbunden zu sein.“ Gleichzeitig genießen diese es, von früher erzählen zu können und dabei auf aufmerksame Zuhörer zu stoßen. Es werden Geschichten aus längst vergangener Zeit herausgekramt und plötzlich erwachen auch alte Erinnerungen zu neuem Leben. Doch nicht immer müssen es die Gespräche sein, welche den Alltag versüßen. Manchmal genügt es auch einfach, vom aufgeweckten Treiben der Kinder umgeben zu sein.

Ein Wegweiser

Thorsten und Dora Schütz verstehen sich inzwischen recht gut, ab und zu kommt Thorsten sogar nachmittags außerhalb der Schulzeiten zu Besuch.

Weiterhin ist das Projekt auch als Wegweiser für eine mögliche berufliche Orientierung sinnvoll. Gerade in Anbetracht des massiven Fachkräftemangels im Bereich der Alten- und Krankenpflege sieht Barbara Lorenz die Kooperation auch als Chance für die teilnehmenden Schülerinnen und Schüler. Diese haben so die Möglichkeit, erste Erfahrungen im Kontakt und Umgang mit hilfsbedürftigen Menschen zu sammeln. Bereits in jungen Jahren können sie ein Gespür entwickeln, ob eine soziale Richtung im Beruf möglicherweise genau das richtige wäre. Gleichzeitig profitiert auch das Seniorenheim: wer weiß, ob der ein oder andere jetzige Fünftklässler später nicht selbst Mitarbeiter in der „Neumühle“, welches zum Diakonischen Werk Neustadt Aisch gehört, werden möchte? Schließlich spürt man auch dort die Auswirkungen des allgemeinen Personalmangels und ist über engagierten Nachwuchs froh.

„Vorbildlich verkörpert“

Auf große Begeisterung stieß das Projekt aus Bad Windsheim nun bei der Jury des Bayerischen Demenzpreises 2018. Dieser wurde am 14. Mai in Landshut verliehen, wobei der erste Platz in die Kurstadt ging. Der Bayerische Demenzpreis zählt als Baustein der bayerischen Staatsregierung, welcher dazu beitragen soll „den Bewusstseinswandel in der Gesellschaft im Umgang mit dem Thema Demenz voranzutreiben.“ Weiterhin wolle man damit die „Lebensbedingungen und Lebensqualität“ der Betroffen verbessern und die Angehörigen unterstützen. Von der Jury als preiswürdig eingestuft wurde das Projekt, da es die Ziele des Bayerischen Demenzpreises „in vorbildlicher Weise verkörpert.“ Das Preisgeld in Höhe von 3.000 Euro soll für die Neuanschaffung weiterer Spiele und Liederbücher verwendet werden. Außerdem plant das Heim im Juli ein besonderes Fest mit Zirkus und Streichelzoo. „Wir haben uns unglaublich gewürdigt gefühlt“, bekundet Barbara Lorenz, auch im Namen ihres gesamten Teams. Heimleiterin Heidi Bach zeigt sich ebenfalls sehr erfreut, über die Auszeichnung und betont, dass man sich auch in Zukunft weiterhin dafür stark machen werde „das Seniorenheim mit in die Gesellschaft zu nehmen.“

Stolz wurde die Siegerurkunde im Bayerischen Landshut entgegengenommen. Neben der Schulleiterin Barbara Lorenz (2.v.l.) und Heimleiterin Heidi Bach (4.v.l.) freuten sich alle am Projekt beteiligten sehr über die Auszeichnung.                                                           Fotos: Schule im Aischgrund/Privat

 

Text: Amos Krilles

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