„Wir wollen einen Ort der Entschleunigung schaffen“

Marktbergel/Ottenhofen (ak). Die Welt wird immer schneller und hektischer. Menschen werden tagtäglich von Reizen regelrecht überflutet, wodurch es zunehmend schwerfällt, wirklich zur Ruhe zu finden und sich an der Schönheit der simplen Dinge des Lebens zu erfreuen. Diesem Problem hat sich Familie Kuboth aus Ottenhofen gestellt – in jahrelanger Eigenregie wurde ein alter Bauernhof umgebaut und erfüllt nun seine neue Bestimmung als Ort der Kreativität, Ruhe und Geselligkeit. Mittlerweile finden in den Räumen des Lindenhofs regelmäßig kulturelle Veranstaltungen statt.

Die hochgewachsene Linde hat mit Sicherheit schon einige Jahre auf dem Buckel… Sie ist Namensgeber des „Lindenhofs“.

Der Lindenhof, welcher seinen Namen einer hochgewachsenen alten Linde vor Ort verdankt, ist mittlerweile längst nicht nur im überschaulichen Ottenhofen bekannt. Seit einigen Jahren hat sich das ehemalige Strauß-Anwesen immer weiter hin zu einer Art Szenetreffpunkt für „künstlerisch angehauchte“ Leute entwickelt. Grund dafür sind das Ehepaar Anita und Dietmar Kuboth. Die beiden erwarben das Anwesen im Jahr 2003, worauf eine langwierige Renovierungs- und Umbauphase folgte. Doch Stück für Stück verwandelten sich die alten Gebäude in das was man heute

Anita und Dietmar Kuboth.

vorfindet – ein entspanntes Fleckchen Erde, mit nostalgischem Flair. Ein idealer Ort für kulturelle und künstlerische Veranstaltungen: Autorenlesungen, Musik-Sessions oder sonstige Events gehören inzwischen fest zum Programm. Ebenfalls am Lindenhof zu besichtigen ist ein Kräutergarten mit Teich und Barfußpfad. Diesen nutzt die Heil- und Kräuterpädagogin Anita Kuboth auch gerne im Rahmen der Sitzungen mit ihren Klienten. So sei es viel leichter, mit den Patienten ins Gespräch zu kommen, erklärt sie. Bei einem ungezwungenen Gang durch den Garten koste es die Menschen oft viel weniger Überwindung, sich zu öffnen. So gesehen ist sehr praktisch, dass ihre Heilpädagogische Praxis auch in den Gebäuden des Lindehofs untergebracht ist, ebenso wie eine kleine liebevoll hergerichtete Ferienwohnung über dem Cafe Szenestuebla. Noch nicht allzulange ist es her, dass das Cafe-Projekt vollendet wurde. Die Idee dafür entstand im Grunde genommen aus dem Bedarf heraus, beziehungsweise wurde bei den gut besuchten Lesungen schnell klar, dass Bewirtung nicht verkehrt am Platz wäre. So sei letztendlich das Café „Szenestuebla“ entstanden. Anita Kuboth beschreibt wie man auf den Namen gekommen ist: „Ein Bekannter meinte einmal, dass wir die Szene sind. Stuebla soll den nostalgischen Aspekt betonen.“ Ein Punkt, welcher auch wirklich hervorgehoben werden sollte – Nostalgie kombiniert mit künstlerischem Feingefühl, prägt den Lindenhof. Seien es die die sauber hervorgehobenen rustikalen Balken, ein alter Bauernschrank oder die aus beinahe antiken Brettern bestehenden Sitzbänke, überall wird versucht, dem Alten eine neue Schönheit zu geben. Ein Anspruch dem Dietmar Kuboth in jedem Fall gerecht wird. Doch auch bei der Schaffung von Neuem lässt sich der Künstler nicht aufhalten. Die Türen seines Ateliers am Lindenhof stehen für Besucher offen.

Sitzgelegenheiten im freien…

„Zu sich selbst finden“

Glaskunst von Dietmar Kuboth. Mit praktischem Nutzen: Das bunt gefärbte Glas sorgt für stimmungsvolle Beleuchtung.

Dietmar Kuboth ist Künstler aus Leib und Seele, bereits in dritter Generation trägt er den Pinsel seiner Vorväter weiter. Er selbst sagt von sich, dass er ausschließlich mit Musik und Malerei aufgewachsen sei. Selbst die Frage nach seiner Herkunft liese sich nur schwer bis gar nicht beantworten. Schließlich war man „immer unterwegs.“ Ein festes Zuhause kannte der Künstler nicht, heute weiß er ein solches zu schätzen. Halbzeit als Fahrlehrer beschäftigt, nutzt er freie Zeit, um seine Kreativität fließen zu lassen. Bereits beim Betreten der Einfahrt zum Lindenhof macht man Bekanntschaft mit der humorvollen Art des Malers, so weist ein Schild mit exakten Schritt- und Richtungsangaben den Weg zum nicht sofort ersichtlichen Eingang des Cafés. Kuboth bedient sich bei seiner Arbeit verschiedenster Materialien und Techniken. Besonders eindrucksstark sind die realistischen Portraits oder auch die bunt schimmernden Kunstwerke aus geschmolzenem Glas. Beim Besuch des Hofs ist es gut möglich, den Künstler während seiner Arbeit anzutreffen. Interessierte Zuschauer sind gerne gesehen. Kuboth genießt es, im Hof vor der Leinwand zu sitzen, und während einer genüsslichen Zigarette mit seinem Gegenüber zu philosophieren – ein Künstler wie im Bilderbuch. Die Botschaft seiner Kunst ist eindeutig, es geht im darum, „den Menschen zu zeigen, dass es etwas Gutes und Schönes gibt.“ Er wolle eine Alternative zum alltäglichen Leben zeigen. Man solle sich nicht hetzen und nur die Karriere im Auge haben. Vielmehr zähle es „dem Alltag zu entrücken und zu sich selbst zu finden“, schildert er sein Weltbild. „Man muss Schönheit, welche im Alltag verloren geht aufzeigen.“ Für Kuboth unterscheiden sich Künstler von „normalen Menschen“ nur in einer einzigen Hinsicht: „Ein Künstler ist jemand, der seiner Kreativität Raum zur Entfaltung gibt.“ Auch als Musiker ist der kreative Kopf erfolgreich, so ist er Mitglied der Fränkischen Band „Nauswärts“ als auch bei den „Rovers“ (irische Musik). Sein Hauptinstrument ist klassisch die Geige, aber auch Klavier, Gitarre, Banjo oder Dudelsack gehören zum Repertoire des Multitalents.

Freude am Leben zurückgeben

Die herabhängenden Schnüre der Wolldusche werden von Senioren der Tagesstätte in Obernzenn angefertigt. Die körperliche Berüh-rung mit den bewegten Schnüren wird als entschleunigend emp-funden, für sensible Menschen ist dies jedoch oft unangenehm, aber gerade hier ist ein guter Gesprächseinstieg möglich und der heilpädagogische Prozess kann beginnen.

Seine Frau Anita Kuboth ist ebenfalls musikalisch aktiv und Sängerin bei den Chören „Tonart“ und dem Kantoreichor Bad Windsheim. Seit 2017 hat sie einen eigenen „kleinen Lindenhof -Chor“ gegründet (sechs Personen), dem Großes nachgesagt wird. Hinzukommt, dass sie Mitglied bei den trommelnden „Esengos“ ist. Ihr Schwerpunkt liegt allerdings auf der Arbeit mit Menschen. Anita Kuboths Wunsch ist es, Menschen die Freude an der Vielfalt des Lebens zurückzugeben. 2006 eröffnete sie ihre Heilpädagogische Praxis am Lindenhof. Der Fokus lag anfangs auf der Arbeit mit Kindern und Jugendlichen, heute gehören auch Erwachsene zum Klientel. Das Besondere am Gesamtkonzept der Kuboths ist die gelungene Verknüpfung von Kunst, Musik, Natur und Heilpädagogik. Wobei Anita Kuboth erklärt, dass zu Beginn lediglich die Heilpädagogische Praxis existierte. Alles andere wie Kunst, Garten und so weiter hätte sich nach und nach aus dem Bedarf entwickelt. Heute arbeitet das Ehepaar erfolgreich – jeder auf seine Weise – zusammen. Beispielsweise zeigte Dietmar Kuboth Jugendlichen im Rahmen eines Heilpädagogischen Workshops, wie man Selbstportraits vor dem Spiegel malt. „Für viele war das eine sehr herausfordernde Erfahrung. Die jungen Menschen haben oft Probleme mit Selbstwert und manche konnten sich gar nicht richtig selbst im Spiegel anschauen…“, beschreibt die Pädagogin ein Beispiel für gelungene Verknüpfung der Bereiche Kunst und Pädagogik. Auch die Faszination für Kräuter und Natur konnte sie erfolgreich mit ihrer Tätigkeit verbinden. Sie absolvierte eine Fortbildung zur Kräuterpädagogin und bietet nun für Interessierte immer wieder Workshops zum Thema Natur und Kräuter an – viele wissen überhaupt nicht, um die heilenden Kräfte manch eines unbemerkten Kräutleins im heimischen Garten… Besonders gut kennt sie sich mit Lavendel aus. Aber auch über die Linde oder den Holunder beispielsweise weiß sie spannendes zu erzählen. Je nach Jahreszeit kann man ganz unterschiedliche Teile der Pflanzen verwenden. Die Kräuterpädagogin war ursprünglich branchenfremd, mittlerweile kennt sie sich aber gut aus. Im Rahmen der Führungen zum Thema „Delikatessen am Wegesrand“ beschreibt sie so manchen Geheimtipp. Ihr Wunsch ist es, bei Menschen einen „Blick für die Natur zu wecken“.  Es geht ihr darum, ein Gesamtkonzept des Zusammenwirkens der Natur zu vermitteln. Dabei ist das Augenmerk stets auf heimische Pflanzen gerichtet.

Den Lindenhof erleben

Auch den Kachelofen im Sitzbereich hat der Künstler selbst gestaltet und gebaut.

Am Lindenhof gibt es also definitiv einiges zu entdecken und zu erleben. Besonders musische Menschen dürften einen Besuch als kreative, inspirierende Bereicherung empfinden. Ebenso kommen Naturfreunde auf ihre Kosten, neben dem Kräutergarten lassen sich mit etwas Geduld auch seltene Insekten beobachten, da Pestizide und sonstige Gifte am gesamten Gelände Tabu sind. Anita Kuboth ist froh, dass man nach etlichen Jahren Umbau- und Renovierungsarbeiten endlich am Ziel angekommen ist: „Wir haben jetzt erstmals das Gefühl, die Früchte unserer Arbeit ernten zu dürfen.“

 

Text und Fotos: Amos Krilles

 

Trotz der enormen Hitze der vergangenen Wochen grünt und blüht es am Lindenhof. Auch Früchte sind schon einige reif…

Beim Umbau war man stets bemüht, Altes zu erhalten, anstatt es einfach wegzureißen. So wurde auch die alte Backsteinwand hinter der Küchentheke nur überstrichen, um so ihre Vertiefungen und Unregelmäßigkeiten besser hervorzuheben.

 

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