Übereinstimmendes Plädoyer für die Einführung einer Bezahlkarte

Justizministerin Gentges sprach auf Einladung von Landtagsvizepräsident Wolfgang Reinhart mit Vertretern aus Kommunen, Landkreis, Politik und Verwaltung im Main-Tauber-Kreis

MAIN-TAUBER-KREIS (RED). Die Themen Migration, Arbeitsmarktintegration und Sozialleistungen standen im Fokus einer Gesprächsrunde von Landesjustizministerin Marion Gentges und Landtagsvizepräsident Professor Dr. Wolfgang Reinhart mit Landrat Christoph Schauder, dem Ersten Landesbeamten Florian Busch, dem stellvertretenden Leiter der Agentur für Arbeit Schwäbisch Hall-Tauberbischofsheim, Stefan Schubert, sowie mehreren Bürgermeistern und Kommunalvertretern aus dem Main-Tauber-Kreis.

„Eine Herausforderung, die uns alle betrifft – sowohl die Kommunen als auch die Länder und den Bund – und die wir alle anpacken müssen“, betonte Wolfgang Reinhart einleitend. Dies betreffe ebenso die bevorstehenden Verhandlungen und Beratungen über den Doppelhaushalt 2025/2026 des Landes Baden-Württemberg.

„Wir brauchen eine baldige Lösung“, bekräftigte Marion Gentges. Allerdings gestalte sich die Auseinandersetzung mit dem Bund und der Regierungskoalition momentan schwierig. 330 000 Asylanträge im vergangenen Jahr und damit eine Verdopplung zu 2021, alleine über 36 000 davon in Baden-Württemberg, verdeutlichte sie mit handfesten Zahlen die angespannte Situation. Hinzu kämen noch weit über 100.000 Flüchtende aus der Ukraine.

Damit stoße man in vielerlei Hinsicht an Grenzen – sowohl bei den Unterkünften als auch bei den Personalressourcen zuständiger Behörden und Verwaltungen, außerdem bei ehrenamtlichen Helfern und Helferkreisen sowie nicht zuletzt bei der Akzeptanz in weiten Teilen der Bürgerschaft. „Wir dürfen nicht riskieren, sondern müssen vermeiden, die Menschen und den gesellschaftlichen Zusammenhalt zu verlieren“, warnte die Ministerin der Justiz und für Migration. „Ich glaube, dass noch handeln möglich ist und wir handlungsfähig sind, jedoch müsse baldigst agiert werden. Hierbei sei vor allem der Bund gefordert“, appellierte sie.

Dass Maßnahmen ergriffen werden und erfolgreich Wirkung zeigen können, belege als Beispiel die Durchführung der Kontrollen an der deutsch-schweizerischen Grenze. „Dort konnten rund 11.500 unerlaubte Einreisen verhindert, 260 Schleuser festgenommen und mehr als 600 Haftbefehle erlassen werden. Im November, Dezember und Januar gab es insgesamt ein Drittel weniger Asylzugänge als in den Vergleichsmonaten des Vorjahres“, bilanzierte Gentges.

„Den Stein der Weisen gibt es nicht, aber zahlreiche Schritte, die umgesetzt werden können, wobei die Debatte darüber ehrlich geführt werden muss“, bekräftigte sie. Dazu zähle eine Reform sowohl der Höhe als auch Art der Sozialleistungen für Asylsuchende. Darüber hinaus bedürfe es einer Angleichung der Leistungen zwischen den EU-Mitgliedsstaaten.

Ebenfalls wie Gentges forderte Christoph Schauder die schleunigste Einführung einer Bezahlkarte anstelle der weiteren Fortführung von Geldleistungen. Während der sogenannte „Türkei-Deal“ im März 2016 eine Wende bei der damaligen Flüchtlingswelle bewirkte, sei diesmal eine vergleichbare Lösung nicht in Sicht. „Wir spüren zwar die Effekte der Grenzkontrollen, aber die meisten Fluchtrouten sind nach wie vor offen oder es finden sich neue Wege. Wir werden trotz aktuell rückläufigen Zahlen und einem gewissen Puffer an vorhandenen Unterbringungsplätzen nicht umhinkommen, die Kapazitäten auszubauen“, kündigte der Landrat an.

„Wir brauchen auf lange Sicht mehrere Hunderttausend Zuwanderer und deren Integration in den Arbeitsmarkt, um dem zunehmend steigenden Arbeits- und Fachkräftemangel zu begegnen“, bestätigte Stefan Schubert. Ohne Mindestmaß an deutschen Sprachkenntnissen sei dies allerdings – egal in welchem Beruf – äußerst schwierig. Die durchgeführten Integrationskurse seien zwar auf dem Papier komplett ausgebucht, jedoch würden nicht alle Teilnehmenden erscheinen. Fehlende Kinderbetreuung oder erschwerte ÖPNV-Verbindungen nannte der stellvertretende Arbeitsagenturleiter als häufige Gründe.

„Die Helferkreise sind überwiegend erodiert, so dass eine andere Integrationssituation als bei der Flüchtlingswelle 2015 und 2016 herrscht“, stellte Werbachs Bürgermeister Georg Wyrwoll fest, der übereinstimmend für eine Bezahlkarte plädierte. „Die Wertschöpfung der Sozialleistungen sollte im Land bleiben“, argumentierte er.

Bad Mergentheims Oberbürgermeister Udo Glatthaar kritisierte zu starre Regularien und sprach sich für mehr Flexibilität aus. „Wir haben etliche Personen aus der Ukraine, die sehr gerne arbeiten würden, aber nicht dürfen“, argumentierte er. „Ich habe die Sorge, dass wir zu selbstverständlich davon ausgehen, die Ukraine würde den Krieg nicht verlieren. Insofern sollten wir uns vorsorglich auf eine nächste massive Flüchtlingswelle einstellen“.

Laut Minister a.D. Wolfgang Reinhart sind die Kommunen an einer Belastungsgrenze angelangt, was auch im Hinblick auf die Akzeptanz in der Bevölkerung viel größerer Beachtung bedarf und seitens des Bundesgesetzgebers seit über acht Jahren nicht genügend berücksichtigt wurde. „Es ist absolut inakzeptabel, dass wir leistungsbereite und fähige Menschen hier haben, die nicht oder von denen nur 20 Prozent in Arbeit sind, während die Beschäftigungsquote in Nachbarländern bis zu 70 Prozent beträgt“, monierte ebenso Wolfgang Reinhart. „Wir müssen uns auf das konzentrieren und damit loslegen, was wir tun können“, lautete ein Fazit des Landtagsvizepräsidenten.

 

Notre Dame de Paris. © Madeleine Deffieux-Giraud

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