Verena Schöntag gestaltete „MoBitop“ für Tiere und Pflanzen – Ideen für einen artenreichen Garten
Von Anja Öttl
Bad Mergentheim/Neunkirchen. Einfach vorbei gehen, geht nicht. Das Grundstück fällt einfach auf unter den herkömmlichen Gärten aus Zwei-Zentimeter-Rasen und Steinwüste. Hier wohnt Verena Schöntag. Innerhalb von zehn Jahren hat sie aus ihrem Garten ein Tier- und Pflanzenparadies geschaffen.
Überall summt es. Unter Reisig am Boden raschelt es. Und Schwalben stürzen sich im Tiefflug über den Garten auf der Jagd nach Insekten. Als Verena Schöntag damit begann ihren Garten umzugestalten, waren sie und ihr Mann gerade in das Haus in Neunkirchen eingezogen. Im Garten standen ein alter Apfelbaum und ein paar Sträucher. „Sonst war da nichts“, erklärt Verena Schöntag. Nach und nach begann sie ihren Garten zu verändern. „Dabei habe ich auch kleine `Fehler` begangen“, gesteht die gelernte Heilpraktikerin. Die gelbblühende Forsythie soll sich aber weiterhin an den Staketenzaun lehnen dürfen, wobei sie außer ihrer Schönheit im Frühling, nutzlos ist, für Bienen und Hummeln. Die stürzen sich lieber auf den daneben üppig blühenden Lavendel oder die rasant wachsende Katzenminze.
Verena Schöntag setzt sich für Artenvielfalt ein. Foto: A. Öttl
„Kleiner Einsatz – hoher Nutzen“
„In unserem eigenen Garten kann ich täglich sehen, wieviel man selbst mit relativ kleinen Maßnahmen erreichen kann“, sagt Schöntag.
„Es geht nicht darum gleich alles perfekt zu machen, sondern ein paar Nischen frei zu räumen für Bienen, Schmetterlinge und Vögel“, weiß sie. Aber warum sollte man überhaupt Insekten schützen?
Auf den Internetseiten von „Deutschland summt!“ ist dazu zu lesen:
„Rund 80 Prozent aller Pflanzenarten in den gemäßigten Breiten sind auf eine Fremdbestäubung durch Insekten angewiesen. Davon werden wiederum etwa 80 Prozent durch Wild- und Honigbienen bestäubt. Die Wild- und Honigbienen sind unverzichtbare Bestäuber unserer Wild- und Kulturpflanzen. Und sie sind bedroht.“ Zu lesen ist auch: „(…) jeder dritte Bissen, den wir essen, ist von Bienen abhängig (…).“ (Online-Plattform „bee-careful“).
Grund genug vielleicht auch den eigenen Garten etwas bienenfreundlicher zu gestalten. Verena Schöntag hatte sich dazu Gedanken gemacht. Bei ihren Überlegungen, wie man im eigenen Umfeld mit einfachen Mitteln zahlreiche Tiere anlocken kann, um die Artenvielfalt zu erhöhen, kam sie auf die Idee von der „Insel im eigenen Garten“, dem „MoBitop“ (Mobiles Biotop). Die Idee dahinter ist es, auch ohne viel Aufwand betreiben zu müssen, etwas für die Tiere in der Umgebung zu tun: durch Unterschlupf- und Nistmöglichkeiten, Futter und Wasser. Alles Elemente, die in dem Modulsystem untergebracht sind.
Das „Mobile Biotop“, kann man überall dort, wo es an mehr Platz oder besseren Möglichkeiten fehlt, aufstellen. Es wird sozusagen zu einem „Trittstein für die Natur“.
„Modulsystem“
Das MoBitop ist ein Modulsystem und kann deshalb leicht an die Gegebenheiten vor Ort angepasst werden. Es ist aufgebaut wie ein Turm und besteht als kompletter Modulsatz aus einem Igelunterschlupf, einem Insektenhotel, Halterungen für Pflanzen, Nistkasten, Vogelfutterstation und einer Vogeltränke. Bietet man nämlich Nistmöglichkeiten und Futter an, wird der entsprechende Platz förmlich zum Magneten für allerlei Getier – und das auch bei wenig verfügbarem Platz.
So hat man die Möglichkeit, sich ohne großen Aufwand ein Stück Natur auf seinem Balkon, in seinen Hof oder Garten zu holen.
Für die Aufstellung auf Balkonen kann man es ohne Igelmodul verwenden oder stattdessen ein weiteres Insektenhotelmodul hinzufügen. Es gibt mittlerweile ein großes Modell, das für Gärten, aber auch Schulhöfe und Kindergärten geeignet ist und ein kleineres für Balkone. Momentan wird es auf Bestellung in der handwerklichen Schreinerei Michael Frey in Oberregenbach, mit viel Liebe zum Detail angefertigt. „Nachahmungen sind erlaubt und gewünscht“, sagt Verena Schöntag. „Nur der Produktname „MoBitop“ ist geschützt.“
Auch das Zubehör des Modulsystems wie die Bienensteine, Ohrwurmhäuschen aus Ton oder die Blechabdeckungen kommen von kleinen regionalen Betrieben.
Aber auch ohne solch ein „MoBitop“ im Garten oder auf dem Balkon, ist es erstaunlich, wieviel man auch schon mit einfachen, kleinen Maßnahmen erreichen kann. Unternimmt man zusammen mit Verena Schöntag einen Streifzug durch ihren Garten, gibt es viel zu entdecken. Die in Vergessenheit geratene Felsenbirne am Staketenzaun, sieht nicht nur schön aus, sie trägt auch Früchte, die Mensch und Tier gleichermaßen gerne verzehren.
Verena Schöntag weist auf die im Hochsommer blauviolett blühende „Wilde Karde“ hin, die sich majestätisch über die anderen Pflanzen erhebt und Futterpflanze ist für Hummel, Schmetterling und Distelfink. Umgangssprachlich kennt man die Wildstaude auch als „Kardendistel“, da man sie aufgrund ihres Aussehens den Disteln zuordnet.
Inseln im Garten
Maßnahmen, die der Flora und Fauna zu Gute kommt, müssen nicht viel Geld kosten. Vor allem aber dürfe man keine Angst vor kleinen Pflanz- oder Gestaltungsfehlern haben, die seien erlaubt, so Schöntag. Es zähle der Wille etwas für mehr Artenvielfalt im Garten zu tun. Hauptsache ein Umdenken habe stattgefunden: Schon eine Wasserstelle, Unterschlupfmöglichkeiten und die passenden Pflanzen, ziehen viele Tiere an.
„Es kann so einfach sein, man muss es nur wachsen lassen, kleine Inseln im Garten schaffen“, so Schöntag augenzwinkernd: Kräuter oder Wildblumen in Blumenkästen säen oder im Garten eine kleine Ecke mit Wildblumen anlegen. Oder ganz einfach Wildgewächse „stehen lassen“. Eine Schale mit Wasser für Igel und Vögel und einem „Landestein“ darin für Insekten aufstellen. An geeigneter Stelle Nistkästen aufhängen und Futterstellen für Vögel einrichten. Laub, Reisig und Totholz in einer Gartenecke aufschichten, um einen Unterschlupf zu bieten. Im Herbst Laub liegen lassen, um Insekten einen Unterschlupf zu bieten – was wiederum den Vögeln bei der Nahrungssuche hilft.
Den Zugang zum Komposthaufen ermöglichen, damit Igel und andere Tiere dort auf Nahrungssuche gehen können.
Heimische Sträucher und Pflanzen bevorzugen. Auf Chemie im Garten verzichten. Bei großer Hitze sind im Garten aufgestellte Untersetzer mit Wasser eine große Hilfe für Igel, Vögel und Insekten. Selbst Kröten wagen sich dann tagsüber ins Freie und stürzen sich ins kühle Nass, wenn sie eine Gelegenheit dazu finden.
Schöntag hat alle genannten Veränderungen in ihrem Garten umgesetzt und profitiert von einer atemberaubenden Artenvielfalt. Wer kann schon von sich behaupten einen Bluthänfling gesehen oder eine Maus beim Nestbau im Garten beobachtet zu haben?
„Abends ist hier im Garten richtig was los“, berichtet Verena Schöntag. „Es ist immer ein Riesenspektakel, wenn sich die Spatzen im Sandbett neben dem kleinen Bachlauf baden. Sogar ein Eisvogel schaute schon vorbei“, strahlt sie. Dann weiß Verena Schöntag, dass sie trotz kleiner „Fehler“, alles richtig gemacht hat.
Weitere Infos unter www.dasmobitop.de (zu MoBitop )und www.deutschland-summt.de, beedabei.de sowie www.bee-careful.com