Situation der Flüchtlingsunterbringung drastisch verändert

Main-Tauber-Kreis. Die Situation bei der Unterbringung und Betreuung von Flüchtlingen im Main-Tauber-Kreis hat sich gravierend verändert. Die Zahl der Menschen, die in den Gemeinschaftsunterkünften des Landkreises untergebracht sind, ist drastisch zurückgegangen. Dies folgte aus dem Einbruch beim Zustrom weiterer Flüchtlinge. Dafür ist ein großer Teil der Geflüchteten in die kommunale Anschlussunterbringung bei den Städten und Gemeinden gewechselt.

Landrat Reinhard Frank hat sich jetzt im Gespräch mit den verantwortlichen Sachgebietsleitern der Kreisverwaltung über die Lage informiert und deren Arbeit gewürdigt. Sylvia Karner zeichnet für das Sachgebiet Flüchtlingssozialarbeit und Integrationsmanagement verantwortlich, ihr Kollege Jürgen Fickel für das Sachgebiet Wohnheimverwaltung. Beide arbeiten seit vielen Jahren als bewährtes Tandem.

Die Flüchtlingsaufnahme ist in Baden-Württemberg so geregelt, dass die Menschen zuerst in einer Erstaufnahmeeinrichtung des Landes untergebracht werden. Dort wird unter anderem eine medizinische Erstuntersuchung durchgeführt und ein Gesundheitszeugnis ausgestellt sowie der Asylantrag gestellt. Dann werden die Flüchtlinge auf die Kreise verteilt. Dort werden sie für die Dauer des Asylverfahrens, maximal aber für zwei Jahre, in Gemeinschaftsunterkünften vorläufig untergebracht. Sofern sie in dieser Zeit nicht freiwillig ausreisen oder abgeschoben werden, schließt sich eine kommunale Anschlussunterbringung in einer Stadt oder Gemeinde des betreffenden Kreises an. Dann ist die Stadt- oder Gemeindeverwaltung für den Flüchtling zuständig und nicht mehr das Landratsamt. Die Anschlussunterbringung findet in der Regel in Wohnungen statt Wohnheimen statt.

Ein Blick auf die Zahlen zeigt, wie massiv sich die Situation verändert hat: Vor dem Beginn der Flüchtlingswelle beschränkte sich die vorläufige Unterbringung im Main-Tauber-Kreis auf ein kreiseigenes Gebäude „Zwischen den Bächen“ in Bad Mergentheim mit etwa 150 Bewohnern. Auf dem Höhepunkt des Flüchtlingszustroms bestanden 28 Heime in nahezu allen Städten und Gemeinden des Landkreises. Es waren 1843 Plätze vorhanden und davon bis zu 1467 belegt. Aktuell werden nur noch eine ehemalige Klinik in der Löffelstelzer Straße und das ehemalige THW-Gebäude in der Buchener Straße in Bad Mergentheim sowie das kreiseigene Gebäude in der Museumstraße in Tauberbischofsheim genutzt. Die Zahl der hier untergebrachten Menschen ist auf rund 150 gesunken, so viele wie vor der Flüchtlingskrise.

Sylvia Karner sprach von einer „Berg- und Talfahrt“, die bewältigt wurde. Einen starken Anstieg der Zahl von Flüchtlingen sowie Spätaussiedlern hatte es unter anderem bereits Anfang der 1990er Jahre gegeben, aber noch nie in dieser dramatischen Form. Nachdem in ihrem Sachgebiet zeitweise bis zu 14 Sozialarbeiterinnen und -arbeiter in der Flüchtlingsbetreuung innerhalb der Gemeinschaftsunterkünfte tätig waren, sind es heute noch zwei.

Dafür hat sich eine neue Aufgabe ergeben. Schließlich wurden den Städten und Gemeinden seit Anfang 2016 rund  1500 Menschen zur Anschlussunterbringung zugewiesen. Auch dort benötigen sie Ansprechpartner und Unterstützung. Für diesen Personenkreis hat das Land den Kommunen mit dem Pakt für Integration in den Jahren 2017 und 2018 insgesamt 320 Millionen Euro zur Verfügung gestellt. Die Städte und Gemeinden im Land haben die Möglichkeit, selbst oder im Zusammenschluss von mehreren Kommunen Integrationsmanagerinnen und Integrationsmanager zu beschäftigen. Ebenso können die kreisangehörigen Kommunen auch den Landkreis oder freie Träger mit der Aufgabe betrauen. Insgesamt zwölf Städte und Gemeinden haben den Landkreis mit der Durchführung des Integrationsmanagements beauftragt. Hierfür stehen Sylvia Karner in ihrem Sachgebiet derzeit acht Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zur Verfügung. Diese betreuen jeweils rund 80 Flüchtlinge.

Nach den Vorgaben des Förderprogramms erhalten sie eine Sozialberatung und -begleitung zu allen Fragen des täglichen Lebens. Die Flüchtlinge sollen zudem an ehrenamtliche Angebote und bürgerschaftliche Strukturen und Organisationen herangeführt werden. Bei spezifischen Problemlagen ist die Weitervermittlung in spezielle Beratungsangebote vorgesehen. Eine weitere Aufgabe des Integrationsmanagements ist die Netzwerkarbeit mit anderen Institutionen der Flüchtlingshilfe. Die Städte und Gemeinden haben für die Beratung zum Teil Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt. Ebenso finden auch Hausbesuche statt.

„Das Land gibt einen Integrationsplan vor. Es werden für jeden betreuten Flüchtling Ziele formuliert, die Zielerreichung wird regelmäßig überprüft“, erklärte Sylvia Karner. Der Projektzeitraum ist zunächst auf zwei Jahre befristet, eine Weiterführung wird derzeit politisch diskutiert. „Nach dieser Zeit sollte ein Großteil der Menschen gut integriert sein“, sagte Sylvia Karner. Sehr gut bewährt hätten sich für junge Flüchtlinge die speziellen VABO-Klassen an den beruflichen Schulen („Vorqualifizierungsjahr Arbeit/Beruf mit Schwerpunkt Erwerb von Deutschkenntnissen“). Bei Flüchtlingen, die eine Berufsausbildung begonnen haben, gelinge die praktische Ausbildung häufig sehr gut. Eine Herausforderung bleibe der anspruchsvolle Berufsschulunterricht.

Die Wohnheimverwaltung ist auch dafür zuständig, die Menschen aus den Gemeinschaftsunterkünften in die Anschlussunterbringung zu vermitteln. Dabei wird bestmöglich darauf geachtet, dass zum Beispiel bisher ausgeübte Arbeitsstellen weiter erreicht werden können. „Dieses Puzzle wird von Monat zu Monat schwieriger zu lösen“, berichtete Jürgen Fickel. Sehr gut gelungen sei es inzwischen, die Zahl der „Fehlbeleger“ auf ein Minimum zu reduzieren. Damit sind Flüchtlinge gemeint, welche die Gemeinschaftsunterkunft bereits verlassen dürften und müssten, aber wegen fehlender Wohnungen dennoch weiter im Wohnheim leben.

Landrat Frank zeigte sich sehr beeindruckt von der geleisteten Arbeit sowie vom Auf- und Abbau der Unterbringungskapazitäten und der Sozialbetreuung in kürzester Zeit. Nun sei als neue Herausforderung das Integrationsmanagement hinzugekommen. Sylvia Karner und Jürgen Fickel hätten diese Aufgaben mit ihren Teams bravourös gemeistert. „Ich bin sehr froh, dass wir hier über langjährig erfahrene Fachkräfte verfügen. Alle Mitarbeiter in den beiden Sachgebieten haben sich der Herausforderung gestellt und bereitwillig zusätzliche Aufgaben übernommen.“ Dies sei umso wichtiger, als es bei den Flüchtlingen um Menschen mit Hoffnungen auf ein besseres Leben gehe, die jeweils mit einem Lebensrucksack beladen seien. „Wir können sicher nicht die Welt retten, aber die uns anvertrauten Menschen anständig und human behandeln“, sagte er.

BILD:

Landrat Reinhard Frank (links) informierte sich im Gespräch mit den Sachgebietsleitern Jürgen Fickel und Sylvia Karner (Zweiter und Dritte von rechts) über die aktuelle Situation in der Flüchtlingsunterbringung und die neue Aufgabe des Integrationsmanagements, hier mit drei der zuständigen Mitarbeiterinnen. Foto: Markus Moll / Landratsamt Main-Tauber-Kreis

 

 

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