ROTHENBURG. Alle Leser mit Höhenangst sollten den folgenden Artikel besser überspringen. Letztes Wochenende, vom 13. bis 14. Mai, waren am Rothenburger Flugplatz besondere Gäste aus Österreich zu Besuch: Pink Skyvan und Team. Wer oder was der Pink Skyvan ist, wird vor Ort schnell klar. Auf der Startbahn wartet ein Flugzeug, wesentlich größer als alle anderen Maschinen am Platz, lackiert in knalligem rosa. Die geräumige Bauweise erinnert tatsächlich stark an einen Van. Insgesamt fasst das aufsehenerregende Flugzeug 24 Personen – besser gesagt Fallschirmspringer. Aus einem weiten Umkreis sind Fallschirmfans angereißt, um das Wochenende am Rothenburger Flugplatz zu verbringen und die Gelegenheit zu nutzen. Im Durchschnitt springen die Teilnehmer bis zu acht mal am Tag. Das Wetter ist nahezu perfekt, die Sonne scheint und nur wenige Wolken sind am Himmel – die optimale Voraussetzung um die einzigartige Perspektive von oben genießen zu können. Bereits am frühen Vormittag sind die Parkplätz auf dem Gelände so gut wie alle belegt, auf der Wiese stehen mehrere Wohnwägen. In einer der anliegenden Hallen bereiten sich die Teilnehmer auf den bevorstehenden Absprung vor, jetzt ist die letzte Chance für Aufwärm- und Trockenübungen. Der anschließende Sprung erfolgt aus einer Höhe von 4000-4500 Metern und endet in etwa einer Minute freiem Fall.
Doppelt attraktiv
Pink Aviation ist ein österreichisches Unternehmen, dessen Konzept u.a. darin besteht, ihren Skyvan anderen Nutzern zur Verfügung zu stellen. Die Kunden können das Flugzeug je nach Bedarf, z.B. für besondere Anlässe, chartern und müssen somit keine eigene Maschine besitzen. In diesem Fall ist der Veranstalter jedoch Pink Aviation und der Aero Club Rothenburg stellt die Infrastruktur bzw. den Platz zur Verfügung. Schon seit längerem besteht eine gute Beziehung zum Aero Club Rothenburg o.d.T. e.V. Thomas Lewetz, der Geschäftsführer von Pink Skyvan, sieht den Rothenburger Flugplatz als besonders attraktiv an: „Der Sprungplatz hier ist in der Hinsicht ideal, weil die Lage auch ein gutes Schlechtwetterprogramm bietet. Rothenburg ist ein sehr schöner Ort und es gibt innerhalb der Stadt gute Alternativbeschäftigungen. Außerdem ist am Platz ein sehr gutes Restaurant vor Ort. Deshalb denke ich kommen die Springer auch aus einem Umkreis von 100 bis 200 Kilometer – sag ich mal – weil das Flugzeug ist attraktiv, aber auch der Platz ist attraktiv.“
Der Sumpf muss weg!
Der Aero Club Rothenburg wurde bereits 1950 gegründet. Fünf Jahre Später, im Jahr 1955, entdeckte man das heutige Fluggelände am sog. Bauerngraben. Allerdings gab es ein Problem: Die Gegend war versumpft. Erst nachdem sie trockengelegt war, konnte mit dem eigentlichen Bauvorhaben begonnen werden. 1957 war es dann letztendlich soweit und der Flugverkehr wurde aufgenommen. Im Lauf der folgenden Jahrzehnte wurde der Platz immer weiter modernisiert. Die dafür notwendigen Mittel stellten vorallem die Mitglieder zur verfügung. Allgemein spielt das Thema Finanzen im Bereich Hobby-Flugsport eine nicht ganz unbedeutende Rolle.
Eine Frage der Mittel
Zwar sind viele Hobbys, abhängig davon wie intensiv man sie betreibt, nicht gerade günstig. Wer aber in seiner Freizeit fliegen möchte, sollte dann doch das nötige Kleingeld übrig haben. Man muss dabei dennoch klar unterteilen: Segelfliegen zum Beispiel ist vergleichsweise günstig. Wer allerdings Motorbetrieben unterwegs sein will, hat etwas tiefer in die Tasche zu greifen. Stefan Zorn, erster Vorsitzender des Aero Clubs: „Vom finaziellen Aufwand her könnte man Fliegen mit Reiten vergleichen, sprich man unterhält sein eigenes Pferd. Nach oben sind die Grenzen selbstverständlich offen.“
Jugend vor!
Ziel der Vereinsarbeit ist in erster Linie der Erhalt des Flugsports für die breite Öffentlichkeit, sowie die Jugendarbeit. „Das Durchschnittsalter derjenigen, die Motorflug betreiben liegt bei über 40 Jahren“, so Zorn. „Bei den Auszubildenden für Segelflieger ist das Alter hingegen bei 14, 15.“
Da das Alter der aktiven Vereinsmitglieder ist vergleichsweise hoch. Gerade in Hinblick auf die Zukunft wünscht sich der Vorstand frischen Zuwachs: „Im Durchschnitt sind unsere Mitglieder so um die 58, unser Wunsch ist eigentlich, dass dieses runter geht. Aber es ist auch ein generelles Problem, dass Vereinen der Nachwuchs fehlt –denke ich. Vor allem bei den jungen Menschen verlagern sich einfach die Interessen. Gerade im Flugsport beispielsweise reicht es nicht, wenn man Samstags irgendwann am Mittag aufsteht, man sollte dann halt schon frühs am Platz sein.“
„Ein schlaues Hobby“
Beim Flugsport und Fallschirmspringen geht es um weitaus mehr als auf den ersten Blick sichtbar – Nervenkitzel und in rauhen Mengen Adrenalin sind nur die eine Seite der Medaille. Thomas Lewetz erklärt, warum er findet, dass Flugsport eigentlich ein „sehr schlaues Hobby“ ist: „Meiner Meinung nach, wird das im allgemeinen viel zu wenig betrieben. Eigentlich müsste man die Menschen und vor allem die Jugend viel mehr fürs Fliegen aber auch Fallschirmspringen begeistern. Das ganze ist nämlich sehr Persönlichkeitsbildend, dadurch wird den Menschen eine Einstellung nahe gebracht, die manch einem doch stark fehlt. Früher hat man gelernt, dass man im Frühjahr sähen muss, um im Herbst ernten zu können. Diese Nachhaltige Denkweise verwischt in der heutigen Zeit immer mehr und ist ein Stückweit verloren gegangen. Heute spielt man am Computer Krieg und wenn man erschossen wird drückt man replay. Alles Tun hat Konsequenzen, die man bedenken muss – diese Denkweise bekommt man beim Fallschirmspringen sehr schnell zurück. Ein Fehler und man stirbt. Aber genauso auch beim Segelfliegen, wenn einem in 1000 Metern Höhe zwischen den Wolken plötzlich der Sprit ausgeht, ist das auch nicht lustig. Man muss also immer im Voraus planen, wie man mit bestimmten Parametern umgeht, sodass man am Ende gesund auf die Erde zurück kommt. Ich denke, es wäre für die Menschheit sehr schlau, die Leute mehr auf die Flugplätze zu bringen und ihnen so eine nachhaltige Denkweise zu vermitteln.“
Wenn Feinde Freunde werden…
Nicht jeder allerdings sieht den Luftsport und die damit verbundenen Flugaktivitäten als etwas potives. Allgemein gibt es immer wieder Protest, bezüglich Umweltverschmutzung oder Motorenlärm. Der Pink Skyvan war bereits zu einem früheren Zeitpunkt in Rothenburg am Platz. Der Aussage des Aero Clubs zufolge hat man sich anschliessend beim nahegelegenen Reitverein und Krankenhaus erkundigt, ob der Beusch störend gewesen sei. Die Rückmeldung war in beiden Fällen erfreulich, selbst die Stadt sieht die Aktivität als positiv an. Allgemein ist die Akzeptanz in der Gegend sehr gut, nur hin und wieder gibt es Beschwerdeanrufe.
Thomas Lewetz betont in dieser Hinsicht auch, dass es wichtig ist, dem Umfeld gegenüber rücksichtsvoll und mit Verständnis zu begegnen: „Man vermeidet beispielsweise, Samstagmittags, wenn die Leute ihre Ruhe wollen, über die Dörfer zu fliegen. Speziell in der Fliegerei hat man auch sehr gute Möglichkeiten, den designierten Gegner von seiner extremen Haltung abzubringen oder ihn sogar ins Boot zu holen. Manchmal kommen Leute, die sich lauthals beschweren und uns als Rabauken beschimpfen. Wenn man sich dann aber gemeinsam hinsetzt, eine Tasse Tee trinkt und erklärt was genau wir tun, bzw. auch zeigt, dass wir extra um seinen Wohnort herumfliegen, da wir nicht stören wollen – da kann aus dem Gegner schnell ein Freund werden. Einige der bei uns ausgebildeten Fallschirmspringer waren bzw. sind eig. Lärmgegner.“ Amos Krilles