Lukas Schäfer und Thomas Kieser

Interview mit Jungbauer Thomas Kieser zum auslaufenden Volksbegehren Artenschutz

Buchen. Mit Veröffentlichung der Studie des Entomologischen Vereins Krefeld im Jahr 2017, spätestens seit jedoch dem Start des Volksbegehrens Artenschutz in Baden-Württemberg ist das Insektensterben ein Thema von breitem öffentlichem Interesse. Zwischenzeitlich haben sich die Organisatoren des Volksbegehrens im Dialog mit Landwirtschaftsverbänden und der Landesregierung auf ein Eckpunktepapier mit kompromissorientierten Vorschlägen verständigt und die Werbung um Stimmen eingestellt. Ein entsprechender Gesetzentwurf zur Änderung der Landesgesetze für Naturschutz und Landwirtschaft soll laut Landesregierung noch vor der parlamentarischen Sommerpause in eine erste Lesung gehen. Die Frist zur Stimmabgabe im Volksbegehren endet offiziell am 23. März. Parallel protestieren Landwirte in Berlin und im Land gegen verschärfte Düngevorschriften des Bundes. Dies nehmen wir zum Anlass, mit dem Junglandwirt Thomas Kieser aus Buchen über das Volksbegehren, den Protest der Landwirte und seinen Berufseinstieg zu sprechen.

 

Herr Kieser, wie haben Sie die Anfänge des Volksbegehrens Artenschutz miterlebt?

Bereits seit knapp zwei Jahren, spätestens mit dem Ergebnis des Volksbegehrens in Bayern war uns klar, dass da etwas auf uns Landwirte zukommt. Das war während meiner kürzlich abgeschlossenen Ausbildung zum Landwirt bereits Thema in der Berufsschule. Wir haben deshalb verschiedene Veranstaltungen dazu besucht, und haben z. B. auf der Bundesgartenschau einen Informationsstand gehabt.

 

Was waren Ihre ersten Gedanken, als klar war, dass auch bei uns im Land ein Volksbegehren kommt?

Ich habe es über die Presse und die sozialen Medien mitbekommen und mein erster Gedanke nach den Erfahrungen in Bayern war: Das ist nicht aufzuhalten. Es wird wie in Bayern kommen, nur härter. Schon seit Jahren haben wir Landwirte das Gefühl, dass das Verständnis der Bevölkerung für die Arbeit der Landwirte immer schneller schwindet. Das betrifft nicht nur den Einsatz von Pflanzenschutzmitteln, sondern quasi sämtliche Arbeiten. Trifft man bei der Feldarbeit auf Spaziergänger, dann hinterfragen diese oft, ob das, was der Landwirt gerade macht, den Boden, die Natur oder das Klima beeinträchtigt. Ich persönlich bin jemand, der dann auch gerne versucht ins Gespräch zu kommen und meine Sicht zu erklären. Leider stoße ich dabei viel zu häufig auf vorgefertigte Meinungen und wenig Verständnis. Dabei sollte doch der gesunde Menschenverstand schon sagen, dass der größte Schatz des Landwirts der eigene Boden ist, von dem man noch Jahrzehnte leben muss. Deshalb will ein Landwirt dem Boden immer nur Gutes tun und diesen niemals absichtlich vergiften oder überdüngen. Natürlich mag es Schwarze Schafe geben. Dies sieht man an einigen wenigen Gebieten, den sogenannten „Roten Gebieten“, in denen das Grundwasser bereits so sehr mit Nitrat belastet ist, dass Gegenmaßnahmen ergriffen werden müssen. Die meisten dieser Gebiete konzentrieren sich allerdings im Osten und Norden von Deutschland, also in Regionen mit besonders hoher Viehbesatzdichte. Wir in Baden-Württemberg haben dagegen bundesweit die wenigsten „Roten Gebiete“, im Neckar-Odenwald-Kreis gibt es kein einziges.

 

Sie haben sich mit den Forderungen des Volksbegehrens Artenschutz auseinandergesetzt. Gibt es da Punkte, die Sie für berechtigt halten oder solche, die Sie besonders kritikwürdig finden?

Artenschwund und Insektensterben sind wissenschaftlich belegt und stehen für mich außer Zweifel. Im Kampf dagegen müssen alle Sektoren ihren Beitrag leisten, selbstverständlich auch die Landwirtschaft. Das Insektensterben wurde allerdings sicher nicht nur durch die Landwirtschaft verursacht. Da müssen im Dialog Kompromisslösungen gefunden werden, die auf der einen Seite ökologisch sinnvoll sind aber auf der anderen Seite auch den bäuerlichen Betrieben noch Erträge, ein sinnvolles Wirtschaften und ein Auskommen ermöglichen. Ein großes Problem ist die Verknüpfung der Forderungen nach mehr Artenschutz mit der Dynamik der Lebensmittelmärkte. Letztlich entscheidet der Kunde an der Kasse, was und wie der Landwirt anbaut. Eine blinde Forderung nach mehr Ökolandbau ist deshalb aus meiner Sicht nicht zielführend. Vielmehr muss durch Fördermaßnahmen überhaupt erst der Markt für die Produkte des Ökolandbaus geschaffen werden. Nicht zuletzt gibt es eben trotz allem Wohlstand in Deutschland noch viele Menschen, die sich Bioprodukte nicht leisten können.

 

Aktuelle Diskussionsgrundlage ist das Eckpunktepapier der Landesregierung und der darauf beruhende Gesetzentwurf. Sind die dort formulierten Ziele für Sie im Rahmen, gerade irgendwie leistbar oder immer noch zu hart?

Da wurde natürlich der Härtegrad etwas heruntergeschraubt, statt 50 % Ökolandbau werden nur 30 % gefordert. Das ist zwar ein guter Ansatz aber letztlich noch nicht das was wir brauchen und daher so nicht hinnehmbar. Eine deutliche Verbesserung ist allerdings, dass nicht mehr pauschal in allen Schutzgebieten der Pflanzenschutz verboten werden soll. Die Reduktion des chemischen Pflanzenschutzes ist für uns Landwirte eine sportliche Herausforderung. Solche starr formulierten Zielvorgaben finde ich aber immer etwas problematisch. Wichtiger ist, dass Wege gefunden werden, durch die sich für beide Seiten Vorteile ergeben. Denn im Allgemeinen bemühen wir uns gerne um die Reduktion des Einsatzes von Pflanzenschutzmitteln. Diese kosten schließlich auch Geld. Wenn wir tragfähige Methoden haben, weniger Pflanzenschutz zu betreiben, z. B. durch intelligente Fruchtfolge oder Sortenwahl, und dennoch gesunde Lebensmittel produzieren können, dann nutzen wir diese auch.

 

Was hat es eigentlich mit diesen Grünen Kreuzen auf sich, die auf vielen Äckern aufgestellt wurden?

Die Grünen Kreuze gehen zurück auf den Initiator Bauer Willi. Der Internetaktivist hat schon vor einiger Zeit damit angefangen und seit Spätsommer 2019 haben viele Betriebe in ganz Deutschland mitgemacht, so auch wir. Das Grüne Kreuz ist ein Mahnmal dafür, wie man auf der einen Seite mit den Landwirten aktuell umgeht und wie wir Landwirte selbst durch Markt und Politik heute gezwungen sind zu wirtschaften. In letzter Konsequenz steht das Grüne Kreuz natürlich auch für das Höfesterben. Auch hier stoßen wir allerdings teilweise auf Unverständnis. Grüne Kreuze werden leider immer wieder zerstört.

 

Unter all diesen Vorzeichen: wo sehen Sie sich und Ihren Betrieb in 15 Jahren?

Das ist natürlich schwierig zu sagen. Unser aktueller Betriebsstandort mit altem Kuhstall lässt kaum Entwicklungen zu. Die Alternative ist, auszusiedeln und im Außenbereich einen Großstall mit 400 oder noch mehr Vieheinheiten zu bauen. Man muss sich aber natürlich gut überlegen, ob man das will. Eine solche Investition im Millionenbereich bindet einen für ein ganzes Leben. Ich bin eigentlich gerne auch noch in meiner Freizeit aktiv, engagiere mich bei der Freiwilligen Feuerwehr oder treffe mich mit Freunden. Wenn das nicht mehr ginge und ich mich 365 Tage im Jahr nur noch um den Betrieb kümmern müsste, würde mir ein großes Stück Lebensqualität fehlen. Das ist mein Zwiespalt: Ich mag meinen Beruf, es macht mir Freude zu ernten, was ich ausgesät habe, aber es muss eben auch noch zum Leben reichen und die Lebensqualität darf nicht daran verloren gehen. Eine Umstellung auf ökologischen Landbau ist für mich aktuell keine Option. Dafür haben wir zum einen nicht die geeigneten Böden und zum anderen auch eine schwierige Betriebsgröße. Meine Bewirtschaftungsweise möchte ich gerne weiter betreiben wie bisher, das heißt ich orientiere mich am integrierten Landbau, setze Pflanzenschutz nur ein, wenn es notwendig ist und dünge nur so viel wie dem Boden Nährstoffe entzogen wurden.

Das Gespräch führte Lukas Schäfer.

Gespräch Lukas Schäfer mit Thomas Kieser vom 21.11.2019

 

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