Schenkung wertvoller Unikate aus dem Besitz des Volapük-Erfinders:

Lauda-Königshofen. Eine Schenkung mit Exponaten von und über den Volapük-Erfinder Johann Martin Schleyer erhielt die Stadt Lauda-Königshofen. Der Diplom-Ingenieur Meinolf Schleyer aus Meckenheim überreichte dem Stadtarchiv zwei Kartons gesammelter Schrift- und Druckwerke zur fachgerechten Aufbewahrung. Dazu gab es einen Bierkrug mit Volapük-Wappen sowie einige Abbildungen des Prälaten, der in Oberlauda geboren wurde. Der Sammler, selbst nicht mit dem Oberlaudaer verwandt, kam durch Zufall und eigenes Zutun zu dem Fundus. Sein Onkel hatte Kontakte zur Haushälterin des Prälaten Schleyer in Konstanz, Frau Aloisia Billinger geb. Hauck, ebenso zu deren Sohn, Priester Dr. Martin Billinger. Beide Personen sind im Grab des Prälaten auf dem Friedhof in Konstanz beerdigt. Über Dr. Billinger gelangten die Schleyer-Exponate 1978 in den Besitz des Onkels. Der Schenkende hat sich auch selbst mit dem Wirken des Prälaten beschäftigt. So erstellte er einen umfangreichen Stammbaum der Oberlaudaer Schleyer-Familie. Gute Kontakte bestanden auch zum inzwischen verstorbenen Linguisten Reinhard Haupenthal. Dieser hat sich intensiv mit der Erforschung und Dokumentation der Plansprache Volapük und deren Erfinder beschäftigt; 1981 und 2012 hielt er darüber Vorträge am Gymnasium in Lauda. Johann Martin Schleyer wurde am 18. Juli 1831 im Schulhaus in Oberlauda geboren. Sein Vater wirkte über vier Jahrzehnte als Lehrer in dieser Ortschaft und hat interessante Aufzeichnungen hinterlassen. Johann Martin war musikalisch frühbegabt. Schon mit acht Jahren spielte er in der Oberlaudaer Kirche zur samstäglichen Abendandacht. Nach dem Gymnasium in Tauberbischofsheim und dem Lyzeum in Karlsruhe studierte Schleyer in Freiburg Theologie im Hauptfach. 1856 erhielt er die erste Priesterweihe. Erste Pfarrstellen waren 1862 in Meßbach und 1867 in Krumbach. Hier veröffentlicht er erstmals Dichtungen und religiöse Schriften. Nach Krumbach holt er auch seine Eltern; die Verbindung zu Oberlauda bricht weitgehend ab. Schleyer gilt als wortgewandter Prediger und Religionslehrer, wird für seine liberale Einstellung und Toleranz gegenüber Mitmenschen gelobt. Er konnte aber auch gegen „Geißeln“ seiner Zeit wettern. Eine Predigtäußerung über den Sozialismus bringt ihm 1875 vier Monate Festungshaft in Rastatt ein. Noch 1875 wird Schleyer Pfarrer in Litzelstetten bei Überlingen. Dort erfindet und entwickelt er sein „Volapük = Weltsprache“. Er konstruiert 1877 aus deutschen, englischen, französischen, italienischen, spanischen und russischen Begriffen eine gemischte Sprache. 1880 erscheint das erste Volapük-Lehrbuch: mit durchdachter Grammatik, einfachem Wortaufbau, weitgehender Übereinstimmung von Aussprache und Schreibweise. Seine Devise: „Eine Welt, eine Sprache“ = „Menad bal, pük bal“. Die Plansprache ist logisch, doch nicht einfach. Zwar schwer zu sprechen, aber mit rasantem Zuspruch. Es werden Vereine gegründet, Zeitungen ins Leben gerufen. Ab 1881 erscheint Schleyers Weltsprache-Blatt für Volapükisten. Die Volapük-Presse umfasst bald über 1000 Titel. 1885 wird der Pfarrer aus gesundheitlichen Gründen pensioniert und kann sich ganz seinem Volapük widmen. Beim zweiten Weltsprache-Kongress 1887 in München spricht man von einer Million Anhängern. Es wird eine Volapük-Akademie gegründet – und der Niedergang beginnt. Denn eine lebendige Sprache ist nicht starr, nicht Privatbesitz. Sie muss leben, ist Kollektivbesitz, muss sich weiterentwickeln – und dem versperrt sich Schleyer. Er sieht Volapük als seine Erfindung mit Patentrecht. Er bremst Änderungen und Reformen an Volapük, lehnt sie schließlich kategorisch ab. Es kommt zum Streit mit den Reformern der Plansprache. Volapük kommt aus der Mode. Zu Beginn der 20. Jahrhunderts beginnt der Siegeszug des 1887 veröffentlichten Esperanto, das einige Volapük-Strukturen übernimmt.  Schleyer arbeitet unverdrossen weiter an seinem Volapük-Wörterbuch (er kommt bis zum Buchstaben S, zuletzt über 100 000 Wörter). 1894 wird er zum päpstlichen Prälaten ernannt. Am 16. August 1912 stirbt er in Konstanz und wird auf dem dortigen Hauptfriedhof begraben. Der Schenkungsgeber Meinolf Schleyer suchte für seine Sammlung eine sichere Aufbewahrung. Zugleich einen Ort, der sich für das Leben und Wirken des Prälaten interessiert. Er kam auf die Stadt Lauda-Königshofen: hier ist der Geburtsort des Prälaten, sind Straße und Gymnasium nach ihm benannt. Stadtarchivar Dr. Dieter Thoma sicherte dem Sammler eine fachgerechte Aufbewahrung, Pflege und Verzeichnung der Exponate zu. Eine Ausstellung einzelner Sammlungstücke ist denkbar. Bürgermeister Dr. Lukas Braun bedankte sich bei Meinolf Schleyer und Begleiterin Rosemarie de Yong für den Besuch im Rathaus Lauda und sicherte zu, dass die überlassenen Unikate des Volapük-Erfinders ganz bestimmt in Ehren gehalten werden. Es sei außerordentlich wichtig, die Erinnerung an Johann Martin Schleyer authentisch zu bewahren. Schleyer sei von einer Vision getragen gewesen, die ihn antrieb. “Für den Namenspaten des hiesigen Gymnasiums war es der Glaube an eine weltumspannende Sprache, die von jedermann gesprochen und verstanden werden kann; völkerverbindend, einfach und global“, so Braun. Zu den Glanzstücken der Schenkung gehört ein Bierkrug mit aufgedrucktem Volapük-Wappen. Oder das 648-seitige „Große Wörterbuch der Universalsprache Volapük“, gedruckt in Konstanz, „Verlag von Schleyers Zentralbüro der Weltsprache 1888“.

Fotountertext: Bürgermeister Dr. Lukas Braun, Rosemarie de Yong, Meinolf Schleyer, Stadtarchivar Dr. Dieter Thoma und Fachbereichsleiterin Juliane Noe freuen sich über die Schenkung. Quelle: Stadt Lauda-Königshofen

 

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