Zeitungsbericht vom 17. Oktober 1948, von der Einweihungsfeierlichkeit der Magnani Siedlung in Hettingen
Hettingen. Am Sonntag den 17.10.1948 konnte das kleine Maurerdorf Hettingen (bei Buchen i. Odenwald Baden) ein in der heutigen Zeit wohl vereinzelt ein dastehendes Fest begehen. Der erste Bauabschnitt der Siedlung „Neue Heimat“ konnte feierlich eingeweiht werden. In der Zeit seit 1946 ist hier ein Werk entstanden im Kampfe gegen das Wohnungselend, das mutig und mustergültig zu nennen ist. Am Tage der Einweihung waren 10 Häuser bewohnt, 4 bezugsfertig und 8 weitere Wohnungen im Bau. 87 Menschen haben wieder eine menschwürdige Wohnung, darunter 30 kleine Kinder. Für eine Gemeinde mit 2100 Einwohnern eine fühlbare Entlastung.
Diese Tatsachen sind wohl Anlass genug ein würdiges Fest zu feiern. So brachte die Siedlergemeinschaft am Vorabend des Festtages ihre Gefühle durch einen Fackelzug zum Ausdruck, der sich von der neuerbauten Siedlung zur Kirche bewegte. Auf der Kirchentreppe überreichten Vertreter der Siedler dem Pfarrer Dankes – und Bauurkunde, welche letztere beim Weiheakt vom Landrat eingemauert wurde. In seiner Erwiderung dankte Pfarrer Magnani, als der Schöpfer und Träger des Werkes, der ganzen Bevölkerung des Dorfes für ihre Mitarbeit und Mitgehen trotz vieler Schwierigkeiten, die sich nur zu oft hindernd in den Weg stellten.
Die Feierlichkeiten des Sonntags eröffnete ein levitiertes Hochamt. Die Festpredigt hielt der Caritasdirektor Fritz aus Heidelberg. Er würdigte mit herzlichen Worten das Werk, und überbrachte die Anerkennung der Kirchenbehörde und des Deutschen Caritasverbandes. Der Weiheakt auf der Siedlung bot ein prächtiges Bild. Die gesamte Bevölkerung war versammelt, viele Menschen aus der Umgebung und von weiter waren gekommen um Zeugen dieses Tages zu sein. Viele Behörden und Verbände hatten ihre Wünsche schriftlich zum Ausdruck gebracht, so der Finanzminister von Württemberg- Baden Reichsminister a.D. Dr. hc. Heinrich Köhler. Die Ansprache des Herrn Pfarrers Magnani zeigte noch einmal in großer zusammenhängender Schau auf, die ihn auf den Plan riefen, um den vom Wohnungselend in jeder Beziehung gefährdeten Menschen der Gemeinde Hettingen, zu helfen. Noch einmal entstand das Bild, welche Schwierigkeiten sich am laufenden Bande auftürmten und auftürmen, der nüchterne Tatsachenbericht sagt mehr als deutlich, dass eine solche Tat wahrer christlicher Nächstenliebe, die Tatkraft eines ganzen Mannes und Priesters fordert und ihn schier zu erdrücken droht. Und dennoch wuchs und wurde das Werk, und sein Schöpfer war und ist bereit, alles zu ertragen und hinzunehmen, um es zum Siege für die notleidenden Heimatvertriebenen zu führen. Es ist ein gewaltiges soziales Werk, das geschaffen wurde, und so erhielt die von den Siedlern erbaute Straße nun mit recht den Namen „ Ketteler- Weg“ in Gedenken an das Vorbild dieses sozialen Bischofs. Der Landrat F.X. Schmerbeck der selbst Aufsichtsratsvorsitzender der gemeinnützigen Baugenossenschaft „ Neue Heimat“ ist, gab in seiner Festansprache vor allem dem Wunsche Ausdruck, dass dieses segenreiche Werk,- so wie es ja von allem Anfang an geplant wurde- auch weiterhin gedeihen möge und auch den anderen Gemeinden des Landkreises, die so dringend notwendige Hilfe in der Wohnungslage bringen möge. Herr Oberregierungsrat Kunkel vom Landesiedlungsamt Stuttgart überbrachte die Wünsche des Landwirtschaftsministers Stoß und versicherte, alles zu tun, was in seiner Macht stünde, um diesem einzigartigen Werk weiter zu helfen. Zur kirchlichen Einsegnung der Häuser hatte sich eine große Zahl von Priestern eingefunden.
Zweifelsohne hatte dieses Fest seine volle Berechtigung. Es war Grund genug vorhanden zur Freude, ebenso aber auch Grund zu aufrichtigem Dank an Gott für die Gnade, dass er das Werk gedeihen ließ.
– Neben diesen Momenten klang aber auch aus den Ansprachen ein anderer ernster Ton, der nicht überhört werden darf. Der soziale Wohnungsbau muss gefördert werden, um wenigstens einen der mannigfaltigen Notstände der Gegenwart, insbesondere der Ostvertriebenen zu Leibe rücken. Dieser Wohnungsbau ist aber auch in unserem ländlichen Landkreis dringend erforderlich um den Menschgen Arbeit zu geben, damit sie nicht unterstützungsbedürftig werden, wie dies ohnehin der Fall ist. Die öffentlichen Kassen sind leer, es besteht wenig Hoffnung verlorene Zuschüsse zu geben, ja selbst die Wohlfahrtsunterstützung der Tagwerker, soweit sie Ostvertriebene waren, musste eingestellt werden – und dabei hatten diese Menschen in zäher Arbeit bereits 64.000 Stunden für ihr neues Heim einsatzbereit geleistet. Wie soll es nun weitergehen? Die Baukosten bewegen sich bei 400% des Normalindex. Bauten für die Gemeinschaftszwecke kann man vielleicht unter solchen Voraussetzungen noch wagen, Wohnungsbauten die durch die Miete verzinst und getilgt werden müssen, können so nicht gebaut werden. So sollte gerade dieser eindrucksvolle Tag an alle verantwortlichen Stellen, an die ganze Öffentlichkeit ein flammender Apell sein, diese Werk weiter zu fördern und dem Manne, diesem mutigen Pfarrer Magnani weiter zu helfen in seinem selbstlosen Kampfe um gesunde Familien in gesunden menschenwürdigen Wohnungen.
So ist es sinnvoll, dass sich an die Festlichkeiten des Sonntags am Montag eine aus dem ganzen Landkreis gut besuchte Tagung von Flüchtlings- und Vertrauensmännern, IdaD-Obmännern und Mitarbeiter der Caritas anschloss. In dieser Zusammenkunft klangen all die drückenden Sorgen auf, die die Heimatvertriebenen im Hinblick auf den kommenden Winter quälen, insbesondere aber stand auch hier die Wohnungsfrage im Mittelpunkt und Aufforderung der Herrn Pfarrers Magnani mitzuhelfen in diesem Kampfe, fand offene Herzen. Der Besuch der Siedlung durch die Teilnehmer der Tagung brachte das gleiche Ergebnis wie der Vortag. Eine uneingeschränkte Anerkennung des geschaffenen Werkes. Das Ausstellungshaus, das bereits am Vortag von Ehrengästen und zahlreicher Besucher lobend besichtigt wurde, wirkte ebenso auf die Tagungsteilnehmer. Am Schluss der Tagung dankte der Vorsitzende des Arbeitskreises IdaD ( Interessengemeinschaft der ausgewiesenen Deutschen) Herrn Pfarrer Magnani, für seine aufopferungsvolle Tätigkeit, mit der er zu den wenigen Persönlichkeiten gehört, die der von allen bei den Ostvertriebenen bestehende Not planvoll zu Leibe geht.