„Ein Spagat zwischen Schreibtisch und (virtuellem) Klassenzimmer“

„Ein Spagat zwischen Schreibtisch und (virtuellem) Klassenzimmer“

Die Bildungszentren der Gesundheitsholding Tauberfranken ziehen Bilanz nach über einem Jahr Ausbildung im Ausnahmezustand

Seit über einem Jahr zwingt die Corona-Pandemie die Bildungseinrichtungen in nahezu allen Teilen der Welt vom Unterrichtsraum an den Schreibtisch – eine Rückkehr zum Regelbetrieb ist weiterhin nicht in Sicht. Für das Caritas-Bildungszentrum am Caritas-Krankenhaus Bad Mergentheim und das Bildungszentrum Gesundheit und Pflege am Krankenhaus Tauberbischofsheim mit ihren aktuell 200 Auszubildenden in der Pflege bedeutet das Arbeiten in der Krise vor allem viel Organisationarbeit und verlangt allen eine hohe Flexibilität ab.

Für die Lehrerinnen und Lehrer der beiden Bildungszentren der Gesundheitsholding Tauberfranken ist es mittlerweile gut geübte Routine: Die morgendliche Begrüßung der Auszubildenden erfolgt nach einem Jahr Pandemie noch immer online. Auch Arbeitsaufträge, Gruppenarbeiten und Hausarbeiten werden virtuell verteilt, korrigiert und wieder an die Schülerinnen und Schüler zurückgeschickt. Um den Schulbetrieb zu sichern und die Schülerinnen und Schüler für ihre spätere Arbeit als Pflegekräfte fit zu machen, wurde zu Beginn der Pandemie vieles innerhalb kürzester Zeit umstrukturiert und immer wieder verbessert. „Wir sind alle mittlerweile wahre Homeschooling-Spezialisten – auch wenn ab und an mal die Internetverbindung noch etwas hakt. Auch die Auszubildenden kommen mit der Situation bestens zurecht. Die Umstellung im Frühjahr 2020 hat uns zwar allen viel abverlangt – rückblickend sind wir aber nicht nur zufrieden sondern stolz, wie wir das alles organisatorisch und auch technisch gemeistert haben. Jetzt kehren die Klassen schrittweise wieder zurück ins Bildungszentrum und wir schaffen den Spagat zwischen Schreibtisch und (virtuellem) Klassenzimmer weiterhin“, sagt der Leiter der Bildungszentren Norbert Stolzenberger.

Lernen auf Distanz eröffnet neue Möglichkeiten

Durch das Onlinelernen würden sich ganz neue Möglichkeiten eröffnen, an die man vorher einfach nicht gedacht habe, wie Norbert Stolzenbergers Stellvertreter in Bad Mergentheim Stefan Bier berichtet: „Wir haben zum Beispiel eine „Live-Schalte in die Welt“ gemacht und mit ehemaligen Auszubildenden gesprochen, die heute in anderen Ländern als Pflegekräfte arbeiten. Das war für alle ein spannender Austausch und zeigt den Auszubildenden die Perspektiven auf, die sich ihnen durch die Pflegeausbildung eröffnen.“ Auch das Weiterbildungsangebot für Fachkräfte habe man in nahezu allen Bereichen auf digitales Lernen umgestellt. Lediglich Prüfungen werden unter Einhaltung aller notwendigen hygienischen Schutzmaßnahmen noch vor Ort im Bildungszentrum geschrieben.

Norbert Stolzenberger im virtuellen Klassenzimmer mit den Pflegeschülerinnen und Pflegeschülern. Foto: ghtf

 

Dauerhaft Online-Angebote etablieren

Die Erfahrungen mit dem Unterrichten auf Distanz seien sogar so gut, dass man auch für die Zeit nach Corona in manchen Bereichen dauerhaft Online-Angebote etablieren werde. „Wir haben nun alle technischen Voraussetzungen geschaffen und die entsprechende Erfahrung, so dass wir das Online-Lernen als zusätzliches Angebot auf jeden Fall beibehalten werden“, bekräftigt Norbert Stolzenberger. Besonders für Weiterbildungswillige, die fest im Leben stehen und durch den Alltag mit Familie und Beruf nur wenig Zeit haben, sei das eine wunderbare Ergänzung.

Es gibt auch Grenzen

Doch auch ein noch so gut durchdachter Distanzunterricht habe seine Grenzen, wie die beiden Lehrer berichten. „Besonders in der Pflegeausbildung geht es viel um Beziehungsarbeit. Wir arbeiten nun mal mit und für Menschen. Direkte Kontakte, der Austausch untereinander, Gespräche von Angesicht zu Angesicht sind wichtig – auch für die Persönlichkeitsentwicklung der Auszubildenden“, erklärt Norbert Stolzenberger. Zudem gebe es im Lehrplan bestimmte Bereiche, die im Distanzunterricht einfach nicht möglich seien, wie das gegenseitige Üben, Rollenspiele im Bereich Palliative Care oder das Sterbeseminar. Auch manche praktischen Handgriffe, könne man schlichtweg nicht alleine üben. „Mit einer Klasse habe ich zum Beispiel eine Subkutane Injektion mit einem Kissen als Attrappe getestet, mit eher geringem Erfolg“, sagt Stefan Bier schmunzelnd. Oftmals fehlten den Auszubildenden eben die notwendigen Materialien, die sie nur im Krankenhaus oder im Bildungszentrum bekommen. Bei den Praxiseinsätzen in Krankenhaus und Seniorenzentren muss in diesem Bereich ganz gezielt ausgebildet werden. „Hier fangen die Praxisanleiterinnen und Praxisanleiter, die die praktische Ausbildung übernehmen, im Moment ganz viel auf und leisten noch mehr Arbeit als sonst. Dafür sind wir sehr dankbar“, lobt Ines Withopf, die Stellvertreterin in Tauberbischofsheim die Kolleginnen und Kollegen vor Ort.

Präsenzunterricht unter strengen Hygieneauflagen: Stefan Bier im Unterricht mit Mundschutz und viel Abstand. Foto: ghtf

Die größte Kritik am Distanzunterricht äußern die Auszubildenden aber selbst. „Die Schülerinnen und Schüler vermissen ihre Klassengemeinschaft – ihnen fehlt einfach der ganz normale Alltag, das merken wir immer mehr“, erklärt Stefan Bier. Zudem hätten es schwächere Pflegeschülerrinnen oder -schüler jetzt nochmal schwerer. „Wir versuchen alle so gut wie möglich zu unterstützen und sind bei Fragen und Problemen jederzeit für sie da. Die persönliche Begleitung jedes Einzelnen findet selbstverständlich auch online statt“, sagt er.

Jetzt nach einem Jahr Ausnahmezustand bleibt weiterhin offen, wie es weitergeht. Denn auch wenn allmählich der Präsenzunterricht wieder aufgenommen werden darf, ist noch nicht klar, wie viele Schülerinnen und Schüler in einem Raum gemeinsam unterrichtet werden können oder wie sich Hygienemaßnahmen verändern. „Da kommt sicherlich wieder ein großer organisatorischer Kraftakt auf uns zu – vieles versuchen wir natürlich schon vorab zu klären, jedoch ändert sich die Situation quasi täglich. Vieles ist und bleibt nach wie vor ungewiss. So oder so ähnlich geht es aber sicherlich allen Bildungseinrichtungen in ganz Deutschland. Wir behalten einen kühlen Kopf und nehmen die Dinge, wie sie kommen. Für unsere Auszubildenden geben wir jeden Tag unser Bestes, um ihnen das Lernen im Ausnahmezustand so angenehm und unkompliziert wie möglich zu gestalten“, sagt Norbert Stolzenberger. Einen Lichtblick gebe es aber: „Am 1. April hat der Frühjahrskurs in Bad Mergentheim mit 12 jungen Auszubildenden in der Pflege gestartet und auch die Bewerberlage für den im Herbst beginnenden Kurs ist gut. Wir freuen uns sehr, dass es junge Menschen gibt, die sich entscheiden jetzt – trotz schwieriger und ungewisser Umstände – eine Ausbildung zu starten.“

 

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