Ein echtes Bad Mergentheimer Urgestein

Stadtführerin Lydia Lauer im BlickLokal-Gespräch

Bad Mergentheim. Wer etwas über Bad Mergentheim wissen möchte, ist bei Lydia Lauer an der richtigen Stelle. Egal, ob es sich um die Geschichte des Deutschen Ordens, Stadtgeschichte, kirchliche Bauten oder Land und Leute handelt, die 78-Jährige Bad Mergentheimerin ist ein wandelndes Lexikon. BlickLokal sprach mit der Stadtführerin über ihren Werdegang, die Marktfrau Katharina und ihr vielfältiges Engagement.

Fast 50 Jahre Altersunterschied trennen meine Gesprächspartnerin und mich, als wir uns in der BlickLokal-Geschäftsstelle in Bad Mergentheim gegenübersitzen – und doch bin ich es, die ob der Merkfähigkeit meines Gastes vor Neid erblassen könnte. Lydia Lauer, die seit über 25 Jahren als Stadtführerin in Bad Mergentheim tätig ist, kann scheinbar mühelos zahlreiche Geschichten und Geschichtchen aus der Bad Mergentheimer Historie zum Besten geben. Dass dieser Leichtigkeit aber auch eine Menge Arbeit und Lektüre vorausgehen muss, bleibt jedoch auch kein Geheimnis.

Ur-Bad Mergentheimerin

Lydia Lauer wurde 1939, kurz vor Kriegsbeginn, in Bad Mergentheim geboren. Die Kriegszeit- und Nachkriegszeit prägte ihre ersten Lebensjahre, ihre schulischen und beruflichen Möglichkeiten waren stark eingeschränkt. Nach dem Besuch der Volksschule sollte Lydia Lauer eigentlich eine Schneiderlehre beginnen. Da sie mit 13 Jahren jedoch noch zu jung dafür war, besuchte sie doch noch die damalige Handelsschule St.Bernhard. „Das war mein Glück, so hatte ich doch noch die Chance etwas mehr zu lernen,“ erzählt die 78-Jährige.

Anschließend arbeitete Lydia Lauer auf dem Einwohnermeldeamt der Stadt Bad Mergentheim, bevor sie sechs Jahre in München lebte und dort ihre zwei Töchter auf die Welt brachte. Wieder zurück in Bad Mergentheim war sie zunächst bei der Stadtpolizei beschäftigt, bevor sie schließlich in der LVA als Chefsekretärin in der Elektronenmikroskopie landete. „Eigentlich wollte ich nie im Büro arbeiten. Ich wäre gerne Lehrerin geworden, aber das war für mich zu der Zeit leider nicht möglich,“ blickt Lydia Lauer zurück. Dafür erlebte sie vor allem in ihrer Zeit bei der Polizei einige interessante Begebenheiten, die sie auch heute noch für die ein oder andere Anekdote nutzen kann.

Seit 27 Jahren Stadtführerin

Mit dem Renteneintritt startete Lydia Lauer voll in Sachen Stadtführungen durch. Nachdem sie Ende der 80er-Jahre bei den Stadtführern der ersten Stunde in Bad Mergentheim, Sepp Häring, Leo Springer und Günther Reschke, mitgelaufen war, fing sie um 1990 selbst mit den Führungen, zunächst im Deutschordensmuseum, an. Schnell habe sie sich gedacht, ich mache Stadtführungen nach meinem gusto, berichtet sie. Jahreszahlen vermeidet Lydia Lauer bei ihren Führungen fast ganz, neben den Fakten versucht sie ihre Zuhörer mit vielen Anekdoten und Begebenheiten, die zum Schmunzeln anregen, zu fesseln.

 

Nächtelanges Pauken

„Ich habe schon immer viel über Bad Mergentheim gelesen und gewusst und mich für Geschichte interessiert,“ erzählt die Stadtführerin. Nichtsdestotrotz musste sie sich aber auch sehr viel neues Wissen anlesen. Um die nötigen Kenntnisse zu erwerben, schlug sie sich deshalb so manche Nacht um die Ohren. Sogar bis nach Wien, in die Zentrale des Deutschen Ordens, führten sie ihre Recherchen.

Marktfrau Katharina plaudert aus dem Nähkästchen

Neben ihrer Tätigkeit als Stadtführerin bietet Lydia Lauer noch zahlreiche weitere Führungen an. So kann man sie seit einiger Zeit auch als Marktfrau Katharina, die vieles zu den Geschehnissen und Abläufen rund um die Märkte Mergentheims zu berichten weiß, erleben. Insgesamt fünf Stadtführer bieten die Kostümführungen von Mai bis Oktober, jeweils freitagabends, an.

Auch wer mehr über den Münsterschatz erfahren möchte, ist bei Lydia Lauer richtig. Jeden Sonntag von 15 bis 17 Uhr steht das Münster St.Johannes Baptist für Interessierte offen, die sich für eine geringe Gebühr von verschiedenen Führern den Schatz erklären lassen können. Auch für zahlreiche weitere Kirchenführungen, z.B. in der Michaelskapelle, steht Lydia Lauer zur Verfügung.

Tausendsassa in Sachen Führungen

Doch damit noch nicht genug, Lydia Lauer ist ein echter Tausendsassa: sie führt als Mitglied des Kneippvereins den Kneippweg entlang, bietet eine Wanderung entlang des Mörikeweges an, führt (Wein-)Wanderer als Mitglied des Kur-und Touristikvereins nach Markelsheim, ist Kulturbeauftrage des Schwäbischen Albvereins, Mitglied der Rheuma-Liga und bietet nicht zuletzt auch Reiseleitungen in Städte von Würzburg und Miltenberg, über Wertheim und Rothenburg bis nach Nördlingen an.

Und so scheint es, dass Lydia Lauers Traum Lehrerin zu werden, zwar nicht in Erfüllung ging, sie jedoch mit ihren zahlreichen Führungen eine neue Erfüllung gefunden hat.