„Dringend Gassigänger gesucht“ – Tierheim Bad Mergentheim: Suche nach neuem Tierheim-Areal erweist sich als schwierig – Wer kann helfen?

BAD MERGENTHEIM. Ein Miauen ist nicht zu hören. Aber sofort kommt eine kleine getigerte Pfote und tastet liebevoll gegen den Finger, der sich durch die Gitter zu der kleinen Katze vortastet. Die fünf Geschwister des Katzenjungen haben wenig Sinn für menschliche Zuwendung am kalten Käfiggitter. Sie spielen im Innern des Zimmers wilde Fangspiele oder lümmeln sich faul auf einem der Katzenkletterbäume. Ganz normaler Tierheim-Alltag.

Tamour ist ein wunderschöner, freundlicher, knapp dreijähriger Rüde. Foto: A. Öttl

 

„Tiere mit Vergangenheit“

Kathrin Rohrbach, Tierpflegerin im Tierheim Bad Mergentheim, arbeitet hier seit 13 Jahren. Drei Jahre davon ehrenamtlich. Sie kennt jede Katze bei ihrem Namen und kann zu jedem Tier eine Geschichte erzählen. Auch die sechs Katzenkinder haben trotz ihres jungen Alters schon eine bewegte Geschichte hinter sich. Ihre Mutter war eine Fundkatze. Irgendwo in Bad Mergentheim streunte sie in der Gegend herum, bevor man sie ins Tierheim brachte. „Kaum einen Tag war sie bei uns, kamen auch schon ihre Jungen auf die Welt“, berichtet Kathrin Rohrbach lachend. Ursprünglich waren es neun Katzenkinder. Ein ungewöhnlich hoher Wurf. Sieben Katzen überlebten die Geburt. Um eine Vermittlung der süßen Kätzchen, macht sich Rohrbach keine Gedanken: „Kleine Katzenkinder finden recht schnell einen Besitzer“, weiß sie. Junge Kätzchen werden aber grundsätzlich als Pärchen vergeben, das sollten die zukünftigen Besitzer vor einer Vermittlung wissen. Insgesamt umfasst das „Katzenhaus“, vier „Katzenzimmer“ mit aktuell 30 Katzen. Dazu kommt dann noch die „Katzen-Quarantäne“. „Es ist ein Kommen und Gehen“, so Rohrbach. Zu Hoch-Zeiten sei kaum Platz für die Aufnahme. Das Tierheim ist zu klein.

„Unser Tierheim war ursprünglich ein Schweinestall und wurde vor einigen Jahrzehnten zum Tierheim umgebaut“, erzählt Heidrun Leiss-Schott, Vorsitzende des Tierheims. Das Tierheim liegt zwischen Bad Mergentheim und Igersheim, auf einem Berg direkt am Hang,
unterhalb von Burg Neuhaus.

Tierheim alt und baufällig – Appell an Grundstücksbesitzer

Dass das Tierheim veraltet und sogar baufällig ist, sieht man auf den ersten Blick. „Wir sind schon seit längerer Zeit auf der Suche nach einem neuen Grundstück. Aber jetzt wird es wirklich dringend“, sagt Leiss-Schott. Richtig gefährlich für Mensch und Tier könnte es werden, wenn der Hang beim Tierheim ins Rutschen gerät.Viel Verständnis wurde dem Tierheim von Seiten der Stadt entgegengebracht. Die Stadt Bad Mergentheim ist bereits seit längerer Zeit mit den Tierheim-Verantwortlichen im Dialog. „Wir hatten bereits eine den baurechtlichen Kriterien entsprechende neue Fläche für das Tierheim vorbereitet und im Bebauungsplan entsprechend ausgewiesen – diese wurde dann von Seiten des Tierheims jedoch abgelehnt“, so Carsten Müller, Pressesprecher der Stadt Bad Mergentheim.Dem Tierschutzverein fiel die Ablehnung der Fläche nicht leicht, ist man doch bereits seit mehr als zehn Jahren auf der Suche nach einem geeigneten Platz für ein neues Tierheim. Aber das von der Stadt vorgeschlagene Areal liegt in einer sehr „umtriebigen“ Gegend mit einer Diskothek und viel Verkehr. „Für traumatisierte Tiere, so sehr wir es ausdrücklich bedauern, einfach nicht geeignet“, so die engagierte Tierheim-Vorsitzende. Deshalb geht die Suche nun weiter, wobei es nicht einfach ist, so eine Fläche zu finden. Den Fokus auf ihrer Suche legt Leiss-Schott auf Bad Mergentheim und seine Teilorte. „Die Stadt selbst habe keine geeigneten Flächen“, so der Pressesprecher auf Anfrage von Blicklokal.Gesucht wird eine Fläche von mindestens 5000 Quadratmetern in Randlage. Spannend wird es in den nächsten Tagen werden. Dann nämlich kommt es zu einem Abstimmungstermin mit den Vertretern des Tierheims und der Stadt.

Neues Zuhause gesucht

Auf einer Wiese hinter dem Hundezwinger dürfen sich die Hunde Anouk und Sayca austoben. Die beiden tollen unbeschwert über das eingezäunte Areal und genießen die Januarsonne. Momentan befinden sich fünf Hunde im Tierheim. Während Anouk bereits von einer Familie reserviert wurde, wartet die Mischlingshündin Sayca noch auf ihren Familienanschluss. Bereits vor einem halben Jahr wurde Sayca in ein neues Zuhause vermittelt, aber leider konnte sich Sayca trotz aller Bemühungen nicht daran gewöhnen an einer lauten, stark befahrenen Hauptstraße zu leben und war deshalb extrem gestresst und angespannt. Daher soll Sayca ein neues, ruhigeres, eher ländliches Zuhause bekommen.

Maunzi sucht einen neuen Besitzer. Foto: A. Öttl

 

Ehrenamtliches Engagement

Aktuell hat das Tierheim in Bad Mergentheim etwa 400 Mitglieder. Das Tierheim unterhält sich hauptsächlich durch Mitgliedsbeiträge, Spenden Erbschaften und Schutzgebühren. Zurzeit gibt es 20 aktive Ehrenamtliche. Gebraucht werden freiwillige Helfer immer. Deshalb würde sich Leiss-Schott über Jeden freuen, der sich dazu entschließt, sich als Mitglied zu engagieren. Für nur 30 Euro Jahresbeitrag könne jeder einen wichtigen Beitrag für den Tierschutz hier vor Ort leisten, so die Tierheim-Vorsitzende. Wer Erfahrung mit Hunden oder Katzen hat, kann sich ehrenamtlich beim Abenddienst engagieren. Der Abenddienst erfolgt täglich von 18 Uhr bis 20 Uhr. Dann werden die Hunde und Katzen von je einem ehrenamtlichen Helfer verpflegt, d.h., 14 Abenddienste von zwei Stunden pro Woche sind notwendig, um die Tiere am Abend zu versorgen. Nach Absprache darf man die Tierpfleger bei der täglichen Arbeit unterstützen, insbesondere bei der Reinigung der Hundezwinger und Katzenzimmer. Genügend Zeit bleibt natürlich auch, um die Tiere zu streicheln oder mit den Hunden Gassi zu gehen. Leiss-Schott: „Gassigänger werden immer gesucht.“

 

Bildschöne „Sorgenkinder“

Gerade waren sie und ihre Vorstandskollegin Stefanie Landwehr mit einem Sorgenkind spazieren – Tamour.  Tamour ist ein wunderschöner, freundlicher, knapp dreijähriger Rüde. Vermutet wird, dass er als Welpe Staupe hatte und davon eine Sehschwäche und ein leichtes Humpeln hinten links zurückbehalten hat. Er „leidet“ aber nicht darunter und hat keine Schmerzen. So gibt es immer wieder Tiere, die nicht leicht vermittelbar seien, so Rohrbach. Auch der Kater Maunzi sei so ein Fall. „Eigentlich ein Bild von einem Kater“, beschreibt ihn die Tierpflegerin Rohrbach. Maunzi wurde bereits 2014 als Fundkater ins Tierheim gebracht. Er entwickelte eine Futtermittelallergie und aufgrund der Diagnose Katzenaids, darf er nur begrenzten Freigang haben. Maunzi ist kastriert. Aber das Virus überträgt sich auch durch Speichel und Blut, somit hauptsächlich durch Bisse, zum Beispiel in Revierstreitigkeiten.

Weitere Infos auch zu den einzelnen Tieren unter: www.tierheim-mergentheim.de

 

 

Fragen an den Tierschutzbund

 Auf die Fragen von Blicklokal antwortete Miriam Holbach, Fachreferentin für Tierheime beim Deutschen Tierschutzbund in Bonn.Der Deutsche Tierschutzbund wurde im Jahr 1881 als Dachorganisation der Tierschutzver­eine und Tierheime in Deutschland gegründet. Heute sind ihm 16 Landesverbände und rund 740 örtliche Tierschutzvereine mit 550 vereinseigenen Tierheimen/Auffangstationen angeschlossen.

Wieviel Tierheime gibt es in Deutschland?

Dem Deutschen Tierschutzbund sind mehr als 740 Tierschutzvereine mit rund 550 vereinseigenen Tierheimen angeschlossen. Träger dieser Tierheime sind gemeinnützige Tierschutzvereine.

Neben den Tierheimen im Deutschen Tierschutzbund gibt es auch Tierheime unter anderer Trägerschaft und Tierheime, die von Kommunen betrieben werden. Eine Abfrage des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft (BMEL) in den Ländern hatte ergeben, dass es in Deutschland über 1.400 Tierheime und tierheimähnliche Einrichtungen gibt.

Mit welchen Problemen kämpfen die Tierheime?

In der Regel fehlt es den Tierheimen an flüssigen Geldmitteln, um Arbeit und Gebäudeerhaltung ausreichend zu finanzieren.

Zum Teil ist die Unterfinanzierung durch die Kommunen mit für die Situation verantwortlich: Über Jahrzehnte haben die Kommunen die Fundtieraufbewahrung zwar an private Vereine abgegeben, aber nicht ausreichend bezahlt. Auch die Verhandlungen mit den Kommunen können sehr mühsam sein – die Tierschutzvereine müssen mit jeder Kommune in ihrem Einzugsgebiet einzeln verhandeln, das verzögert eine befriedigende Vertragsgestaltung natürlich zusätzlich. Oftmals müssten die Tierheime die entstehenden Kosten aus eigener Tasche – aus Spenden, Erbschaften und Mitgliedsbeiträgen – ausgleichen, die Kommune sozusagen aus Tierschutzgeldern „subventionieren“. Dabei geraten sie selbst an die Grenze des finanziell machbaren. Rücklagen für notwendige Instandhaltungsarbeiten konnten und können daher in der Regel nicht gebildet werden. Durch ansteigende Kosten zur Versorgung der Tiere und dringend anstehenden Instandhaltungsmaßnahmen sind viele Tierheime in Deutschland akut in ihrer Existenz gefährdet.

Trotz dieser schwierigen Umstände stehen die Tierschutzvereine und Tierheime für alle in Not geratenen Tiere ein. Sie bieten eine sachkundige Tierschutzhilfe mit artgerechter Pflege und Betreuung. Um diese Standards auch weiterhin halten zu können, brauchen die Tierschutzvereine und vereinseigenen Tierheime, die dem Deutschen Tierschutzbund angeschlossen sind, mehr finanzielle Unterstützung der Kommunen, der Veterinärverwaltung und der Länder.

Weitere Informationen finden Sie auch auf der Internetseite unter: https://www.tierschutzbund.de/organisation/ueber-uns/