Das Gastgewerbe wird in seiner Existenz bedroht

Bad Mergentheim. „Das tatsächliche Ausmaß der Folgen aus der Coronapandemie für das Gastgewerbe wird wohl erst sichtbar, wenn der Lockdown aufgehoben wird
und man sieht, wie viele Betriebe ihre Türen dann nicht mehr aufmachen“, bringt es Frank Bundschu, Kreisvorsitzender der DEHOGA Main-Tauber, sowie Fritz Engelhardt, Präsident von DEHOGA Baden-Württemberg im Rahmen der onlinegeführten Dialogkonferenz mit dem Vorsitzenden der CDU-Landtagsfraktion Prof. Dr. Wolfgang Reinhart und dem tourismuspolitischen Sprecher der CDU Landtagsfraktion, Dr. Patrick Rapp, auf den Punkt. Mit über 40 Teilnehmern aus dem Gastgewerbe stellte Präsident Fritz Engelhardt eingangs deutlich heraus, dass die ergänzende Stabilisierungshilfe für die Gastronomie in Baden-Württemberg und Bayern bundesweit einmalig sei. Er dankte insbesondere der CDU-Fraktion für deren große Unterstützung, ohne die vieles nicht möglich gewesen wäre. „Wir wissen um diese Hilfe“, so Engelhardt.

Welche merklichen Spuren die Coronapandemie bereits seit vergangenen März im Gastgewerbe hinterlassen hat, verdeutlicht der Vorsitzende der DEHOGA BadenWürttemberg, Fritz Engelhardt, mit ernüchternden Zahlen. „Die gastgewerblichen Umsätze haben sich im Jahr 2020 um 43 Prozent reduziert“, so Engelhardt. Und blicke man auf den akuten Zeitraum der Corona-Krise von März bis Dezember, ergebe sich sogar einen Rückgang von 48,6 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. „Dies entspricht einem Ausfall von rund 5,2 Milliarden Euro.“ Ebenso erschreckend sei die Entwicklung im Bereich der Beschäftigungsverhältnisse. Galt das Gastgewerbe einst als Jobmotor und als krisenfeste Branche, sei man seit März eines Besseren belehrt worden. Zwar sei mit dem Instrument der Kurzarbeit ein adäquates Mittel gefunden worden. Dem gegenüber stehe aber ein Einbruch bei den Ausbildungsverhältnissen um 25 Prozent und die Tatsache, dass viele Beschäftigte wie auch Unternehmerinnen und Unternehmer Grundsicherung beantragen müssten.

„Auch zeigt sich eine starke Abwanderungsbewegung“, so Engelhardt. „Viele Fachkräfte kehren der Branche den Rücken zu. Dies wird den Kampf um Fach- wie auch Hilfskräfte nach der Krise noch verstärken.“

Trotz allem dürfe man das Vertrauen in die Branche nicht aufgeben. „Es besteht eine Zukunftsperspektive“, bekräftigt Engelhardt mit der Bitte an die Politik: „Es darf nicht am Kurzarbeitergeld gerüttelt werden.“ Weiter sei eine Fortsetzung der Stabilisierungshilfe ebenso wichtig wie eine Entfristung der aktuellen Regelung des reduzierten Mehrwertsteuersatzes für Speisen in der Gastronomie.“ In diesem Zusammenhang appellierte Engelhardt ebenfalls in Richtung Politik, dass die Auszahlungen beschleunigt werden müssten. „Die für November und Dezember versprochenen Hilfen werden erst diesen Monat ausgezahlt. Das hat viele Betriebe in einen existenzbedrohlichen Liquiditätsengpass geführt“. Oberste Priorität habe nun
eine Öffnungsperspektive, denn „das wichtigste und auf Dauer einzig wirksamste Hilfsprogramm für das Gastgewerbe sind Gäste.“

„Es muss offengelegt werden, zu welchem Zeitpunkt bei welchem Inzidenzwert was gemacht wird“, pflichtet CDU-Fraktionsvorsitzender Prof. Dr. Wolfgang Reinhart bei. „Mir ist bewusst, mit welch verheerenden Folgen die Pandemie die Branche trifft.“ Für ihn und die ganze CDU-Fraktion gäbe es keinen Bereich, den sie derart massiv unterstützen wollten.

„Das Gastgewerbe ist keine Nischenfrage, sondern eine entscheidende wie auch existenzielle Standortfrage“, so Prof. Reinhart. „Das Gastgewerbe schafft hunderttausende Arbeitsplätze in Baden-Württemberg, die nicht einfach exportierbar sind. Damit ist das Gastgewerbe eine Wachstumslokomotive für das ganze Land.“

Umso wichtiger sei es daher, gerade in dieser existenzbedrohenden Lage, den offenen Dialog mit der Branche zu suchen. Er könne die teilweise herrschende Resignation und Wut innerhalb der Branche gut verstehen. „Ich weiß, mit welch großem Einsatz die Branche Hygienekonzepte entwickelt und mit enormem finanziellen Aufwand umgesetzt hat.“ Als umso ernüchternder hätten sich daher nun die coronabedingten Schließungen erwiesen. Gerade deshalb sei er davon überzeugt, dass es wichtig sei, der Branche Perspektiven auf Existenzerhaltung zu schaffen und Wege in die Zukunftsfähigkeit zu bereiten.

Seine gesamte Fraktion kämpfe daher für eine Verlängerung der Stabilisierungshilfen, eine Maßnahme, die genau auf den Süden Deutschlands zugeschnitten sei und die
Lücke in den Bundeshilfen für die Betriebe schließe. Auf Bundesebene setze er sich zudem vehement für eine deutlich schnellere Auszahlung der Überbrückungshilfen ein.
Mit der Hinnahme der auferlegten Schließungen habe sich das Gastgewerbe mit der gesamten Gesellschaft solidarisch gezeigt. „Nun hat das Gastgewerbe Anspruch auf
die Solidarität der Gesellschaft“, betont der Fraktionsvorsitzende. Man dürfe keinesfalls vergessen, welch immense Bedeutung das Gastgewerbe gerade im ländlichen Raum für den Erhalt der Gemeinschaft selbst hätte, ganz in dem Sinne: „Stirbt die Dorfwirtschaft, stirbt auch das Dorf“.

Auch der tourismuspolitische Sprecher der CDU-Landtagsfraktion, Dr. Patrick Rapp, sieht eine perspektivische Planbarkeit für das Gastgewerbe neben den finanziellen Unterstützungshilfen als ebenso essenziell an. Denn Warenbeschaffung und Personalplanung würden einen gewissen Vorlauf benötigen. Im Sinne der Planbarkeit sei es bitter, dass nunmehr erst Abschlagszahlungen für November ausgezahlt worden seien, und dass das, was im November angekündigt wurde, nicht gekommen sei. Für eine Qualifizierungsoffensive sowie Maßnahmen zum Abbau von Bürokratie unterstütze seine Fraktion deshalb den DEHOGA mit einer knappen halben Million Euro.

„Wir fühlen uns als Branche in der Politik gut aufgehoben“, so Frank Bundschu. Man fände mit seinen Themen gehör, und dies sei umso wichtiger, da es sich bei den der DEHOGA Kreisstelle Main-Tauber angeschlossenen Betrieben nicht um große Gesellschaften handele, sondern um klein- und mittelständisch geprägte Einzelunternehmen.

„Gerade deshalb ist eine schnelle und vollständige Auszahlung der Finanzhilfen auch unumgänglich“, appelliert Bundschu. Denn aus eigener Kraft würden sich die Betriebe derzeit nicht helfen können. „Die vielgepriesenen Liefer- und Abholdienste helfen wirtschaftlich faktisch nicht. Im günstigsten Fall werden damit selten mehr als 15 Prozent des normalen Umsatzes kompensiert.“

Für die Betriebe gelte es aber nicht nur, den erneuten Lockdown zu überstehen, sondern „die Rahmenbedingungen müssen auch nach der Pandemie so gestaltet werden, dass die Branche sich von dieser „Jahrhundertkrise“ einigermaßen erholen kann“, fordert Bundschu. „Denn sonst werden sich nach Corona viele weitere Türen erneut schließen.“

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