Wertheim. Seit Wochen muss die Stadtbücherei Wertheim wie alle Bibliotheken ihr gesamtes Angebot stark einschränken. Die Computer-Arbeitsplätze und das Lesecafé sind verwaist, niemand soll bei der Rückgabe oder Ausleihe seiner Medien anderen begegnen, und Veranstaltungen können – wenn überhaupt – nur online angeboten werden. Das stellt das Bücherei-Team seit Jahresbeginn vor einige Herausforderungen. Insgesamt aber überwiegen die positiven Erfahrungen. Das liegt sowohl an der Treue der Leserinnen und Leser, die man gar nicht oft genug betonen könne, wie auch an den neu entwickelten Formaten, wie sich das Team einig ist.
Ein Lieferdienst wie im ersten Lockdown war nicht möglich, ein kontaktloser Abholdienst im Stil von „Click & Collect“ durfte es aber schon sein. Über Presse, Homepage, Newsletter und soziale Medien hat die Bücherei Mitte Januar den neuen Service beworben. Und der wurde gleich so gut angenommen, dass seitdem täglich von morgens bis abends im halbstündlichen Takt vorbestellte Medien abgeholt und entliehene Medien zurückgebracht werden – alles immer nach vorheriger Terminabsprache.
Momentan sind über 4.500 Medien der Bücherei im Umlauf, darunter knapp 1.400 Kinder- und Jugendbücher sowie rund 800 Romane für Erwachsene. Rund 3.100 Medien wurden zurückgegeben.

Die „Überraschungstüte“ ist ein Angebot, das die Kunden der Stadtbücherei während des Lockdowns gerne nutzen. Foto: Stadtbücherei
Neben dem Abholdienst hat das Bücherei-Team, das zur Zeit aus Iwona Cebula, der Auszubildenden Nell Ratajczak, Katja Schmitz und Fabian Künzig besteht, nach einer weiteren Möglichkeit gesucht, die in der Krise für Aufmunterung sorgt. So entstand die Idee der sogenannten „Überraschungstüte“: Wer sich telefonisch oder per Mail in der Bücherei meldet, kann für Kinder, Jugendliche oder Erwachsene eine Tüte ordern, die mit rund zehn Medien gefüllt wird. Vor allem Familien nutzen die Überraschungstüten nach wie vor gerne. „Irgendwann sind alle Spiele gespielt, alle Filme geguckt und alle Bücher buchstäblich ausgelesen – da kamen die Tüten gerade richtig!“, lobte beispielsweise eine junge Mutter das Angebot.
Darüber hinaus hat sich die Überraschungstüte, die inzwischen schon 83 Mal bestellt wurde, auch als gute Möglichkeit erwiesen, auf Neuheiten aufmerksam zu machen und auf solche Medien, die im Bücherei-Alltag vielleicht übersehen werden. Mehr noch: Die Überraschungstüte kam offenbar für viele Leserinnen und Leser zum richtigen Zeitpunkt, denn noch nie hat das Team eine solche Flut von Nachrichten bekommen, die voller Lob, Dank und Anerkennung waren. Sogar ein kleiner selbstgemalter Liebesbrief von einem der jüngsten Leser der Bücherei war darunter: ein knallrotes Herz mit der Botschaft „Love“, das eines Nachmittags neben zurückgegebenen Büchern auf dem Wagen im Flur lag.
Den Kontakt zu den Jüngsten zu halten, war dem Bücherei-Team von Anfang an besonders wichtig. Neben der „Traumstunde im Netz“, die als Alternative zum sonst üblichen Vorleseangebot für Kinder ab vier Jahren regelmäßig angeboten wird, gibt es in Kürze auch eine kleine Online-Lesung für Grundschulkinder – alles immer über die Homepage der Bücherei abrufbar. Und Theaterfreunde können sich dort noch bis zum 5. März die Aufzeichnung des Kindertheaterstücks „Motte will Meer“ anschauen, das vom Achja!-Theater zwar im Kulturhaus gespielt, aber nicht vor Publikum gezeigt werden durfte.
Die Frage, ob die neuen Angebote auch nach der Wiedereröffnung fortgeführt werden, ist noch nicht entschieden. Möglicherweise gibt es auch künftig hybride Formate, also teils online, teils vor Ort. Viel wichtiger aber ist dem Bücherei-Team, das Angebot immer wieder neu an die Gegebenheiten anzupassen und jede Idee auf den Nutzen für die Leserschaft zu prüfen. Dieses Prinzip habe sich bislang während der ganzen Pandemie bewährt und soll auch in Zukunft beibehalten werden.