100 Jahre Waldverwertungsgenossenschaft Hainstadt

Hainstadt. Am 28.05.2023 feiert die Waldgenossenschaft Hainstadt (WVG) ihr 100-jähriges Bestehen. Die WVG kann dabei auf erfolgreiche und wechselvolle Jahre zurückblicken. Besonders bemerkenswert ist die Tatsache, dass die WVG mitten in der Hochphase der Inflation im Jahr 1923 gegründet wurde. Wie wir aus dem Heimatbuch von Pater Götzelmann und verschiedenen Beiträgen aus den Heimatheften wissen, gab es in Hainstadt ursprünglich wohl Gemeindewald, der im Mittelalter aus nicht mehr nachvollziehbaren Gründen verloren ging. 1803 konfiszierte Napoleon den gesamten kirchlichen Besitz in unserer Gegend und übergab ihn dem Fürsten zu Leiningen, als Ersatz für dessen verlorenen Gebiete in der Pfalz. Nach dem ersten Weltkrieg machten sich einige Gemeindevertreter auf den Weg nach Amorbach und baten den Fürsten aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Lage der Hainstadter um Waldabtretung. Der Fürst zeigte sich dem Hainstadter Anliegen nicht abgeneigt und war am 31.3.1921 bereit, 164 Hektar Wald für 25.000 Reichsmark je Hektar abzutreten, in der Summe also 4,1 Mio. Reichsmark. Da sich dieser Betrag nicht realisieren ließ, wurde das Angebot leider nicht weiterverfolgt. Anfang 1923 wurde dann publik, dass Rüdt v. Collenberg seinen Waldanteil in Hainstadt verkaufen würde. Die Gemeinde hatte aber nach wie vor kein Geld zur Verfügung und so kam es schließlich zum Zusammenschluss einiger Hainstadter Bürger mit dem Ziel, diesen Waldbestand zu erwerben. 1923 wurde dann die Waldgenossenschaft mit 76 Mitgliedern gegründet. Die erste Vorstandschaft setzte sich ausfolgenden Personen zusammen: Valentin Schifferdecker, Theodor Gehrig, Valentin Weismann, Theodor Bethäuser, Ludwig Blatz und August Lenz. Die Eigentumsübertragung, der 53 Hektar Waldfläche, war dann im August 1924 für 240 Mio. Reichsmark und später mussten nochmal 30.344 Goldmark bezahlt werden. Die weitere Entwicklung der WVG verlief u.a. durch Holzverkäufe an die Fa. Schifferdecker, an die Holzhandlung des ehem. Bürgermeisters Schüßler, an die Fa. Paßmann und heutzutage fast ausschließlich durch Verkäufe über die Forstwirtschaftliche Vereinigung Odenwald-Bauland (FVOB) überwiegend positiv. Es gab jedoch auch immer mal wieder Rückschläge. Vor allem die in den letzten Jahren vermehrt auftretenden Herbst- und Winterstürme warfen und werfen die Planungen bzgl. Holzeinschlag immer wieder über den Haufen. So verursachten alleine die Orkane Vivian und Wiebke im Jahre 1990 mit insgesamt 5.379 Festmeter Schadholz im WVG-Bestand enorme Schäden. Die Folge davon waren langwierige und zum Teil auch gefährliche Aufräumungsarbeiten, aus Sicherheitsgründen teilweise mit Harvester, eine umfangreiche Sanierung vieler Waldwege, eine Wiederaufforstung mit über 59.000 Pflanzen, hauptsächlich Fichten, Buchen, Eichen und Kirschen sowie fallende Holzpreise. Hinzu kommen noch die durch den Klimawandel verursachten Kalamitäten, wie verstärkter Käferbefall, Absterben der Neueinpflanzungen wegen Wassermangel usw. All dies macht eine rentable Bewirtschaftung des Waldes immer schwieriger und es ist absehbar, dass der jahrzehntelange dominante … man wird nicht umhinkommen, den jahrelang gepflegt und gehegten    „Brotbaum“, die Fichte, nach und nach durch andere Baumarten ersetzt werden muss. zu ersetzen. Ziel muss ein gesunder und klimaresistenter Mischwald sein, wobei der finanzielle Aspekt aber auch nicht aus dem Auge verloren werden darf. Besonders erwähnenswert in der für die hundertjährigen Geschichte der Genossenschaft ist, dass es in dieser ganzen Zeit nur 4 Vorsitzende gab, und zwar von 1923 bis 1974 Valentin Schifferdecker, 1974 bis 1993 Paul Weismann, 1993 bis 2005 Friedbert Balles und seit 2005 Matthias Breunig. Zu Ehren des im April 1980 verstorbenen Gründungs- und Ehrenvorsitzenden Valentin Schifferdecker wurde 1981 ein ca. 8 Tonnen schwerer Gedenkstein aus Hettigenbeuern herbeigeschafft, aufgestellt und mit einer entsprechenden Gedenkschrift versehen. Die jährlich geplante Einschlagsmenge liegt bei ca. 300-350 Festmeter, was aufgrund der oben beschriebenen Ereignisse auch variieren kann. Aufgrund von Holzeinschlag, Sturm, Käfer usw. wurden in den letzten 10 Jahren insgesamt ca. 8 ha Wald mit verschiedenen Baumarten wiederaufgeforstet. Da auch immer wieder Grundstücke zugekauft wurden, stehen aktuell rund 70 ha im Eigentum der Waldverwertungsgenossenschaft Hainstadt und die Genossenschaft hat aktuell 97 Mitgliedern. Das Jubiläum wird am 28. Mai 2023 mit einem Waldnachmittag gefeiert. Hier werden im WVG-Wald verschiedene Vorführungen (Holzrückearbeiten mit Welte und Pferd, Einpflanzungen, Durchforstung mit einem Harvester, Baumklettern, Zubereitung Hackschnitzel, Vorstellung eines Mobilen Sägewerkes und eines Holzspalteautomaten, Rehkitzrettung u.a.) dargeboten.

Bilduntertitel: Aktuelle Vorstands- und Aufsichtsratsmitglieder v. L. Andreas Seitz, Oswin Keller, Matthias Breunig (1. Vorsitzender), Siegbert Maier, Gebhard Ackermann, Rolf Berberich, Klemens Gramlich. Foto: privat