Mit Menschen für Mitmenschen

 

ROTHENBURG. Die Projektschmiede war die Antwort auf steigende Arbeitslosenzahlen in den 90ern. Mittlerweile ist das Sozial-Projekt in der Region weitläufig bekannt. In den letzten Jahren hat sich allerdings einiges geändert und es sind weitere Schritte geplant. Gerade unter einheimischen Kunden wurde der bisherige Wandel zum Teil nur begrenzt begrüßt – logisch, hat jede Medaille immer zwei Seiten. Doch manchmal kann es hilfreich sein, sich die jeweiligen Seiten genauer anzuschauen, um zu verstehen. Lesen Sie mehr dazu auf Seite 3.

 

 

 

Mit Menschen für Mitmenschen

Die Projektschmiede im Umbruch – Dinge ändern sich

 

ROTHENBURG. „Jeder hat das Recht auf Arbeit, auf freie Berufswahl, auf gerechte und befriedigende Arbeitsbedingungen sowie auf Schutz vor Arbeitslosigkeit.“, so lautet ein Abschnitt des Artikel 23 der Menschenrechte. Theoretisch ein guter Ansatz – die Realität hingegen sieht meist anders aus… Viele Menschen können von einem geregelten Arbeitsalltag nur träumen. Die Rothenburger Projektschmiede hat sich erklärt genau das zum Ziel gesetzt, Menschen, die aus dem Berufsleben gefallen sind, wieder einzugliedern und ihnen neue Perspektiven zu geben. Gleichzeitig möchte man für Menschen mit geringerem Einkommen, eine Möglichkeit schaffen, Gebrauchsgegenstände günstig erwerben zu können.

 

1997 erreichte die Arbeitslosigkeit in Deutschland eine neue Rekordmarke: 11,4 Prozent, was damals etwa 4,4 Millionen Menschen waren. Als Antwort auf diese Entwicklung entstand eine Idee. Im Dezember 1997 wurde der Verein Rothenburger Projektschmiede e.V. gegründet. Unterstützt wurde das Projekt vom Evangelisch-Lutherischen Dekanat Rothenburg. Die Kernaufgaben der Arbeit sieht man darin, Menschen ohne Arbeit sowie Menschen mit Behinderung bei der Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt zu unterstützen. „Alle Menschen, die hier arbeiten sind beziehungsweise waren alle entweder langzeitarbeitslos oder arbeitslos und behindert.“, so Karl Dehm, 1. Vorsitzender des Vereins. Gleichzeitig will man eine günstige Einkaufsmöglichkeit für Gebrauchtwaren schaffen, beziehungsweise werden auch diverse Dienstleistungen rund ums Thema Wohnung und Haus angeboten. Praktisch bedeutet dies, dass beispielsweise die Durchführung von Haushaltsauflösungen oder Umzugshilfe angeboten wird. Auf Nachfrage werden auch einzelne Gegenstände abgeholt. Je nach Zustand werden diese dann entweder entsorgt oder aber eingelagert und zum Verkauf angeboten. „Immer wieder bringen Menschen auch selbst Gebrauchtwaren vorbei, und wollen so das Projekt unterstützen.“, erklärt Dehm.

Fördernd…

Allgemein ist die Unterstützung von außen von elementarer Bedeutung. Allein, durch die vom Verkauf erzielten Einnahmen, könnte sich die Projektschmiede nicht finanzieren. Für die in der Projektschmiede beschäftigten Menschen ist der Erlös ihrer Arbeit allerdings von großer Bedeutung, schließlich zeigt sich dadurch eine Anerkennung ihrer Bemühungen. Insbesondere wegen der Anstellung von Behinderten aber auch Langzeitarbeitslosen, wird der gemeinnützige Verein im Rahmen von diversen Programmen gefördert. Eines davon ist von Aktion Mensch. „Hinter Aktion Mensch steckt eigentlich eine Lotterie Gesellschaft. Diese verwendet die kompletten Einnahmen, also alles was nicht an Gewinner ausgezahlt wird, um damit sozialen Einrichtungen unter die Arme zu greifen. “, beschreibt Anke Johanna Lautner, selbstständige Architektin und 2. Vorsitzende. „Diejenigen Behinderten, die bei uns einen Arbeitsplatz finden, können für Werkstätten für Menschen mit Handicap noch zu viel, aber dennoch zu wenig für den ersten Arbeitsmarkt.“

 

Als Arbeitgeber bietet der Projektschmiede e.V.  zurzeit 8 bis 10 sozialversicherungspflichtige Arbeitsplätze, ausschließlich für Menschen, die länger als ein Jahr arbeitslos waren, 7 Arbeitsgelegenheiten vom Jobcenter, sogenannte “1-Euro-Jobs” und 3 Stellen im Bundesfreiwilligendienst

 

Auf dem Weg zum Integrationsbetrieb

Dehm erklärt, dass im Rahmen der Behindertenhilfe genau für diese Menschengruppe eine spezielle Institution existiert: „Der sogenannte Integrationsbetrieb – es müssen mindestens 40 Prozent, dürfen aber nicht mehr als 50 Prozent Behinderte angestellt sein. Für solche Betriebe gibt es dann Förderungen. Einmal vom Integrationsamt aber zum Beispiel auch von Aktion Mensch, die den Aufbau von solchen Betrieben unterstützen.“ Aktuell befindet sich die Projektschmiede auf direktem Weg ebenfalls ein Integrationsbetrieb zu werden. „Der Antrag wurde bei Aktion Mensch bereits gestellt. Das Vorlaufprojekt wurde auch bereits mit Bestnote 1A abgeschlossen. Der Hauptantrag läuft nun, wenn dieser akzeptiert wird, könnten wir insgesamt bis zu 250.ooo Euro Fördermittel -auf fünf Jahre verteilt- bekommen. Voraussetzung dafür ist unter anderem, dass innerhalb dieser Frist dann auch ein Integrationsbetrieb gegründet wird, praktisch muss dies eine gGmbH, eine gemeinnützige GmbH sein. Dieses Ziel haben wir uns für nächstes Jahr auf die Fahne geschrieben. Wir befinden uns im Moment also in einer sehr wichtigen Phase“, so Lautner.

 

Umbruch mit Folgen

Karl Dehm erklärt weiterhin wie es zu diesem neuen Schritt kam, welcher bis vor kurzem gar nicht möglich gewesen wäre: „Der Umzug vom alten Schlachthof in die jetzigen Räumlichkeiten hat diese inhaltliche Umorientierung erst möglich gemacht. Voraussetzung für das Förderprogram ist ein Mietvertag über mindestens zehn Jahre. Dieses hatten wir im alten Schlachthof von der Stadt nicht bekommen, nun in den neuen Räumlichkeiten haben wir hingegen die Option, den Vertrag entsprechend zu verlängern.“ Doch der Umzug brachte nicht nur Vorteile, auch Abstriche mussten in Kauf genommen werden: Was sonst in einem Gebäude untergebracht wurde, muss nun auf zwei unterschiedliche Standorte verteilt werden und dennoch ist die Gesamtfläche kleiner als zuvor. Es gibt nun einmal den Elektrogeräte- und Möbelverkauf in der Industriestraße 7 sowie separat Haushaltswaren, Kleidung, Bücher und so weiter in der Ansbacher Straße 85, in den Räumen der Jugendstiftung Schmidt. Durch diese Umstrukturierung sind auch die Mieten und Nebenkosten wesentlich gestiegen.

Um weiterhin die Wirtschaftlichkeit des Projektes halbwegs abzusichern, sah man nur eine Möglichkeit: Man beschloss am Gesamtkonzept der Projektschmiede einiges zu ändern. „Letztendlich sind wir ein kleiner Gewerbebetrieb, der sich weitgehend selbst tragen muss. Wir werden zwar zum Teil bezuschusst aber ca. 80% unserer Kosten müssen wir selbst erwirtschaften. Sonst können wir unsere Leute nicht halten.“, begründet Lautner das neue Vorgehen.

 

 

Kritik: Zu teuer und zu wenig?!

Besonders aus den Reihen der heimischen Stammkunden hört man nicht selten Kritik am neuen Konzept – Preise sind fest ausgeschildert und nicht mehr verhandelbar, zum Teil recht moderat angesiedelt in anderen Fällen aber unverhältnismäßig teuer. Wie kann es sein, dass ein gebrauchter Gegenstand von Ikea um einiges mehr kostet als derselbe neu? Außerdem ist die Auswahl, insbesondere was die Möbel betrifft stärker eingeschränkt und das Sortiment scheint sich auch über längere Zeit kaum zu ändern. Insbesondere im Gespräch mit Rothenburgern, scheint diese Entwicklung oft nicht ganz nachvollziehbar zu sein. Die engagierte Architektin ist überrascht: „Bei uns ist das so aus der Sicht noch gar nicht angekommen. Das Team hier macht die Preise in Absprache, aber da kann es auch passieren, dass so eine Preisgestaltung mal in die Hose geht. In solchen Fällen wünschen wir uns aber dann, dass die Kunden an der Kasse Bescheid sagen.“ Dehm fügt hinzu, dass es auch sonst, als die Preise noch an der Kasse verhandelt wurden, nicht unproblematisch und oft unfair war – allerdings gegenüber der Projektschmiede: „Damals gab es Leute, die wussten genau, dass wenn eine bestimmte Person an der Kasse ist, die Sachen unverhältnismäßig billig zu bekommen sind. Das wurde dann auch ausgenutzt. Damals hat sich aber keiner beschwert. Wir erwarten heute, dass unsere Kunden fair mit den Preisen umgehen und wir aber auch. Deshalb sollen sie sagen, wenn etwas nicht passt.“ Was die Kritik am gleichbleibenden Möbelsortiment betrifft, gibt es eine simple Antwort. Die Vorstandschaft selbst bedauert diese Tatsache auch. Aufgrund der zu kleinen Fläche ist es logistisch momentan nicht anders möglich – erst, wenn Gegenstände verkauft werden können neue aus dem Lager aufgestellt werden. Doch man arbeitet bereits an der Lösung des Problems. Bald wird das Möbellager räumlich erweitert werden, außerdem werden die Möbel inzwischen auch auf der Website der Rothenburger Projektschmiede ausgestellt.

 

Amos Krilles

 

In der Ansbacher Straße 85 findet man Kleidung, Bücher, Haushaltswaren uvm.

 

Öffnungszeiten:

Täglich von 9 bis 13 Uhr und von 14 bis 18 Uhr

Samstag von 9 bis 14 Uhr

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