Jüdisches Leben im Taubertal und Frankenhöhe

BlickLokal hat sich wieder einmal auf historische Spurensuche in der Region begeben. Jüdische Gemeinden bestanden in zahlreichen Dörfern und Städten, oft mit einer langen Geschichte bis ins Mittelalter zurückreichend. Jüdische Mitbürgerinnen und Mitbürger waren aktive Bestandteile des Gemeindelebens und oft als Kaufleute tätig. Allerdings erzählt sich die jüdische Geschichte im Taubertal nicht ohne den Blick auf Verfolgungen und Pogrome bis hin zum Holocaust. Mit Creglingen, Rothenburg, Schopfloch und Bad Windsheim nimmt BlickLokal drei ehemals große jüdische Gemeinschaften im in den Blick.

Seit 2013 machen „Stolpersteine“ vor den ehemaligen Wohnhäusern, der im Holocaust vertriebenen oder getöteten Rothenburger Juden, auf deren Schicksaal aufmerksam.

Creglingen: Jüdisches Museum erinnert an Geschichte der Creglinger Juden

Wer in Creglingen etwas über die jüdische Geschichte in der Stadt erfahren möchte, ist im Jüdischen Museum in der Badgasse 3 am richtigen Platz. Die Geschichte der jüdischen Gemeinde in Creglingen teilt sich in zwei Perioden. Zum einen bestand im Mittelalter bis zu den Verfolgungen 1298 eine jüdische Gemeinde, zum anderen dann wieder in der Neuzeit bis 1938. In der Markgrafschaft Brandenburg-Ansbach, zu der Creglingen gehörte, wurden im 16./17. Jahrhundert, zu einer Zeit, in der Juden in den meisten Regionen vertrieben wurden, Juden aufgenommen. Mit 130 Einwohnern erreichte die jüdische Gemeinde 1846 ihre Höchstzahl, die meisten Juden lebten vom Ellenwaren und Hausierhandel. Bereits im März 1933 – damals lebten ca. 73 jüdische Personen in Creglingen- kam es zu einem Pogrom der SA. Mit Hermann Stern und Arnold Rosenfeld fielen diesem zwei jüdischen Mitbürger zum Opfer. Daraufhin verließen zahlreiche Juden Creglingen. 1938 wurde die Synagoge, die neben einer Schule, einem rituellen Bad und dem Friedhof zu den jüdischen Einrichtungen zählte, demoliert und eine größere Anzahl jüdischer Männer in das KZ Dachau verschleppt. 1939 kehrte schließlich der letzte jüdische Einwohner Creglingen den Rücken. Die Synagoge der Creglinger Juden befand sich in der Badgasse und wurde 1800 eingeweiht. Zuvor verfügte die Gemeinde lediglich über einen Betsaal. Das Gebäude sowie der angrenzende Faulturm gingen 1939 in den Besitz der Stadt über, im Jahr 2000 wurde dort das jüdische Museum eingerichtet.

Rothenburg als Wohnsitz des geistigen Führers des Mittelalterlichen-Judentums in Deutschland.

Eine Bronzetafel am Eingang der Passage von Hausnummer 5 am Kapellenplatz weist auf das Wirken von Rabbi Meir ben Baruch im 13. Jahrhundert hin.

Die erste namentliche Nennung eines Rothenburger Juden lässt sich bis ins Jahr 1180 zurückdatieren. Bereits im 12. Jahrhundert, kurz nach der Stadtgründung, bestand in Rothenburg eine jüdische Gemeinde. Diese verfügte schon damals über eigene Einrichtungen, wie zum Beispiel einen Friedhof, eine Synagoge, eine Mikwe (rituelles Tauchbad) oder das Gemeindehaus. Man schätzt, dass zwischen 500 und 600 Juden im 13. Jahrhundert in der Tauberstadt lebten. Zu dieser Zeit war hier auch der heute weltweit bekannte Rabbi Meir ben Baruch ansässig. Dieser war einst der geistige Führer des Judentums in Deutschland. Ende des 13. Jahrhunderts fielen über 450 Rothenburger Juden der Verfolgung durch Ritter Rindfleisch zum Opfer und wurden grausam ermordet, ihre Leichen verbrannt. Einer weiteren Verfolgung war die teils regenerierte jüdische Gemeinde dann in den Jahren 1349/50 während der Pestzeit ausgesetzt und wurde im Zuge dieser vollständig vernichtet. Eine Neuansiedlung von Juden erfolgte bereits kurz darauf in der zweiten Hälfte des 14. Jahrhunderts. Zu dieser Zeit entstand die heute noch als solche bezeichnete „Judengasse“. 1407 wurde die erste Synagoge erbaut. Bereits 150 Jahre später wurde das Gebäude wieder eingerissen und die Steine fanden Verwendung beim Bau der Friedhofskirche vor dem Rödertor.

Das „Rabbi-Meir-Gärtchen“ – In die Mauer sind jüdische Grabsteine aus dem 13. Jahrhundert eingearbeitet. Eine Gedenkplatte am Boden (links unten im Bild) erinnert an die letzten aus Rothenburg vertriebenen Juden.

Nachdem 1519/20 erneut alle Juden aus Rothenburg vertrieben worden waren, wurde eine erneute Ansiedlung erst um 1870 wieder möglich. 1875 gründeten acht Familien eine Israelitische Kultusgemeinde, diese unterhielte neben einem Friedhof und einer Mikwe auch Einrichtungen wie einen Betsaal oder Räumlichkeiten für den Religionsunterricht. Außerdem bestanden verschiedene jüdische Vereine. Mehrere Rothenburger Juden fielen im Ersten Weltkrieg, Gedenktafeln mit den Namen der Opfer sind in der alten Blasiuskapelle zu finden. Mit zunehmender Machtgewinnung der Nationalsozialisten und den damit verbundenen Repressalien schrumpfte die jüdische Bürgerzahl beständig, bis im Oktober 1938 Rothenburg noch vor der „Reichskristallnacht“ „judenfrei“ war – nach NS-Definition. Heute erinnern die 2013 verlegten „Stolpersteine“ an die tragische Vergangenheit der Juden in Rothenburg. Ebenso kann eine Judaica-Sammlung mit historischen Gegenständen und Grabsteinen im Reichsstadtmuseum besichtigt werden.

Seit den Anfängen der Stadt um 1180 ist die Rothenburger Judengemeinde nachweisbar. Ursprünglich war diese in der Gegend des heutigen Kapellenplatzes angesiedelt. Fotos: Amos Krilles

Zentraler Friedhof und eine jüdische Geheimsprache in Schopfloch

Bis 1938 hatte die jüdische Gemeinde in Schopfloch bestand. Ihre Entstehung geht Schätzungen zufolge in das 16. Jahrhundert zurück. Man geht davon aus, dass sich einige der 1507 in Nördlingen vertriebenen Juden in Schopfloch ansiedelten. Als Folge dieser Entwicklung entstanden am Ort zwei jüdische Gemeinden, die eine unter der Herrschaft von Oettingen-Wallerstein, die andere unter der Herrschaft des Markgrafen. Erst Anfang des 19. Jahrhunderts schlossen sich diese dann zu einer jüdischen Gemeinde zusammen. Wie dokumentierte Zahlen belegen, existierten um 1800 insgesamt 46 jüdische Haushalte in Schopfloch, etwa ein Drittel der Einwohnerschaft des Ortes gehörten damals der jüdischen Gemeinde an. Die jüdischen Haushaltsvorsteher waren meist als Kaufleute tätig, beispielsweise als Tier-, Stoff- oder Kleinwarenhändler. 1841 entstand das eigenständige Schopflocher Bezirksrabbinat unter Rabbi Nathan Ehrlich. Dieser war gleichzeitig Vorsteher der Gemeinde, welche über mehrere Einrichtungen, unter anderem eine Synagoge und eine Schule verfügte. Außerdem existierte ein jüdischer Friedhof, welcher bereits Anfang des 17. Jahrhundert angelegt worden war. Seitdem hatte man diesen des Öfteren erweitert und er stellte die zentrale Begräbnisstätte für die jüdischen Bürger in der Region dar, dies schloss Ortschaften wie Dinkelsbühl, Feuchtwangen, Mönchsroth, Crailsheim, Wiesenbach und einige mehr mit ein. Die letzte Beisetzung erfolgte 1938. Auf dem Friedhofsareal mit einer Fläche von 12.980 Quadratmetern findet man 1.172 Grabsteine. Bekannt ist die jüdische Gemeinde Schopfloch auch heute noch, wegen ihrer teils nach wie vor gesprochenen Geheimsprache, das „lachoudische“. In diesen „Dialekt“ sind zahlreiche Worte aus dem Hebräischen und Jiddischen aufgenommen worden.

Judenfriedhof Schopfloch. Foto: Heinz Meyer

Der Judenfriedhof in Schopfloch. Die Gräber der Juden waren in der Regel nach Osten hin, in Richtung Jerusalem, ausgerichtet – von dort erwartet man das Kommen des Messias. Foto: Heinz Meyer

 

 

 

 

 

 

 

 

 

Bad Windsheimer Gemeinde hatte eine eigene Synagoge

Bad Windsheim wurde im Jahr 1280 offiziell zur Stadt erhoben, bereits zu dieser Zeit im 13. Jahrhundert verfügte die heutige Kurstadt über eine große jüdische Gemeinde. Doch auch in Bad Windsheim hatten die Juden in den Folgejahren mit Pogromen und Verfolgungen zu kämpfen. Ende des 14. Jahrhunderts kam es zu einer, sich auf Bad Windsheim beschränkenden, Verfolgung. Viele der ansässigen Juden waren als Geldverleiher aktiv. Um Schuldrückzahlungen zu umgehen, ermordete man kurzerhand die Gläubiger. Schutzversuche des Stadtrates scheiterten weitestgehend. Bad Windsheim jedoch gehörte zu dieser Zeit dem Schwäbischen Städtebund an, dieser griff in die Situation ein und verpflichtete die Bürger, ihre Schulden bei den überlebenden Juden zu begleichen. Kurz vor 1500 wurden die Juden erneut und endgültig aus der Stadt vertrieben. Das heute noch vorhandene „Judenhöflein“ erinnert an die damalige jüdische Ansiedlung. Erst 1877 wurde eine neue jüdische Gemeinde gegründet und Bad Windsheim erreichte eine neue Höchstzahl von 166 jüdischen Einwohnern um 1900. Als Einrichtungen hatte die Gemeinde eine Synagoge, ein Wohnhaus mit Schulräumen und ein 1888 erbautes rituelles Bad. Die Toten wurden auf dem Friedhof in Obernzenn beigesetzt. Am 17. Januar 1939 wurde die jüdische Gemeinde aufgelöst und die Stadt als „judenfrei“ erklärt. Seit 2008 erinnert ein Denkmal am Hafenmarkt an die im Holocaust ermordeten jüdischen Personen.

Das 2008 errichtete Denkmal am Hafenmarkt in Bad Windsheim ist den im Holocaust ermordeten Juden der Stadt gewidmet.

An die jüdische Ansiedlung im Mittelalter erinnert das heute noch vorhandene „Judenhöflein“ in der Bad Windsheimer Altstadt.

 

Text: Amos Krilles/ Christina Sack

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